

„Wasser ist Leben und Verantwortung“ – Ein Gespräch mit Permakultur-Expertin und Autorin Sigrid Drage
Wasser ist für viele von uns selbstverständlich – es kommt aus dem Hahn, füllt unsere Gießkanne, fließt im Bach hinterm Haus. Doch in Zeiten zunehmender Dürren, Starkregen und schwindender Grundwasservorräte wird klar: Unser Umgang mit Wasser braucht ein radikales Umdenken. Wie können wir sorgsamer mit dieser lebenswichtigen Ressource umgehen? Was können wir selbst tun – im eigenen Garten, am Balkon oder als Gemeinschaft?
Sigrid Drage, Ökologin, Permakulturistin und Mitgestalterin eines Gemeinschaftshofes im Weinviertel, lebt und forscht mitten im Wasserkreislauf. In ihrem neuen Buch „Mit allen Wassern gewachsen“ zeigt sie mit fundiertem Wissen, praktischen Tipps und inspirierenden Einblicken, wie wir Gärten und Landschaften wieder in Balance bringen – und dabei nicht nur Wasser, sondern auch Hoffnung schöpfen.
Im Interview spricht sie über ihre persönlichen Aha-Momente, die Kraft funktionierender Ökosysteme, das Potenzial von Grauwasser und Regenfässern – und darüber, warum Mulch oft mehr bewirkt als Gießkannen.
„Permakultur ist angewandte Ökologie – und ein echter Hoffnungsträger“
Du bist Ökologin und leidenschaftliche Permakulturistin – was hat dich ursprünglich auf diesen Weg gebracht?
Ich war immer schon sehr naturverbunden und neugierig und wollte wissen, wie die Dinge zusammenspielen, mit welchen Lebewesen wir die Erde teilen und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Dass ich Ökologie studieren will, wusste ich schon in der Schulzeit. Auf die Permakultur bin ich gestoßen, als ich mit meinem Partner unseren ersten Garten geplant und bewirtschaftet habe und darin die Ökologie in angewandter Form entdeckt habe. Durch meine Ausbildung bei der Permakultur-Akademie im Alpenraum (PIA) bin ich dann vollkommen eingetaucht und hab mich beruflich ganz auf die Permakultur – insbesondere die Anwendung in Landwirtschaft und Garten – spezialisiert.
Du hast in verschiedenen Projekten gearbeitet, von der Permakultur-Akademie bis zum Biodiversitäts-Hof von Sonnentor. Welche Erfahrungen haben dich dabei am meisten geprägt?
Da gibt es viele…. Das Unterrichten bei der Permakultur-Akademie im Alpenraum, bei der ich seit 2012 tätig bin, macht mir sehr viel Spaß. Beim Reden/Beobachten/Diskutieren kommen die Leute zusammen und es ist unglaublich, welch faszinierende Menschen ich dadurch immer wieder kennenlerne. Was mich auch immer wieder fasziniert ist die Natur – wie sehr sie uns doch immer wieder überraschen kann – z.B. welche Pflanzen oder Tiere sich an einem Ort ansiedeln und wohlfühlen und wie spannend die Interaktion ist, wenn wir vorsichtig eingreifen, um bestimmte Lebensräume zu schaffen. Positiv stimmt mich auch immer wieder die Erfahrung, dass es mit Permakultur-Methoden möglich ist auch unter scheinbar schweren Bedingungen gute Ernten einzufahren und gleichzeitig der Natur Raum zu lassen. Nicht so schöne Erfahrungen habe ich mit der Ignoranz gemacht:Wenn wertvolle Elemente und Böden in Natur/Garten und Landwirtschaft z.B. für Bautätigkeiten zerstört werden, die mit etwas mehr Weitsicht und Interesse auch schonend für die Natur und trotzdem nützlich für Menschen umsetzbar gewesen wären.
Was bedeutet Permakultur für dich persönlich – ist es „nur“ eine nachhaltige Anbaumethode oder steckt mehr dahinter?
Natürlich ist es viel mehr! Permakulturmethoden und die permakulturelle Planung können für sehr viele Themen genutzt werden – z.B. von der Planung einer Landwirtschaft bis zur Organisation einer Veranstaltung. Aber auch die Anwendung im Garten geht weit über den reinen Anbau hinaus! Es geht darum Lebensräume zu schaffen, sinnvolle Beziehungen zwischen Elementen zu ermöglichen und aufmerksame*r Beobachter*in zu sein.
Ein Hof, viele Hände – und der Fokus auf Wasser
Du bist jetzt Teil eines Gemeinschaftshofes – wie sieht dein Alltag dort aus und welche Rolle spielt Wasser in deiner Arbeit?
Bei uns am GUT gibt es mehrere Betriebe, die sich diesen Ort teilen und gemeinsam weiterentwickeln:Eine Permakultur-Landwirtschaft, eine Demeter-Imkerei, eine Baumschule und bald auch ein Pilzanbau-Projekt. Außerdem lebt am Hof eine ukrainische Familie und bald gibt es eine weitere Wohnung für zukünftige Mitgestalter*innen. Ich bin einerseits gemeinsam mit meinem Partner für die Landwirtschaft und alle Flächen zuständig, andererseits arbeiten wir sehr intensiv an der Weiterentwicklung der Lebensräume zur Förderung der Biodiversität, sprich Teiche, Hecken, Wiesen, usw.. Das Thema Wasser ist für uns zentral. Als Lebensraum und Lebenselixier für uns, unsere Pflanzen und Tiere und für alle die sich von allein ansiedeln. Das GUT befindet sich in einer der trockensten Regionen Österreichs, was durch die intensive Agrarindustrie im Weinviertel sehr verschärft wird. Für uns ist jeder Tropfen wertvoll und wir haben unseren Schwerpunkt zu Beginn des Projekts auf das Thema Wasser gesetzt und sammeln sehr viel Regenwasser.
„Das Thema Wasser ist täglich präsent“
Wie kam die Idee zu „Mit allen Wassern gewachsen“ zustande? Gab es einen Schlüsselmoment, der dich zum Schreiben inspiriert hat?
Seit Beginn 2023, mit unserem Umzug vom eher feuchteren Waldviertel ins teils gefühlt steppenartige Weinviertel, hab ich mich andauernd mit dem Wasserthema beschäftig. Wie bekommen wir genug Wasser, um unseren Betrieb zu versorgen, wie können wir die Flächen rehydrieren, wie besonders sparsam mit Wasser umgehen, wie die seltenen, aber heftigen Starkniederschläge auffangen und den Boden vor Erosion schützen? Kaum ein Tag ist seither ohne dieses Thema vergangen – und wir haben dadurch viele Methoden und Möglichkeiten für uns gefunden, die unser System Schritt für Schritt resilienter macht. Als der Löwenzahnverlag mich fragte, ob ich zum Thema Wasser etwas schreiben möchte, habe ich sofort ja gesagt – es lag einfach auf der Hand das das jetzt genau das richtige Thema ist.
Wasser ist essenziell für alles Leben – doch wir sehen immer mehr Extreme: Überschwemmungen, Dürren, Trinkwasserknappheit. Welche Entwicklung bereitet dir am meisten Sorgen?
Wie oben, als ich von der Ignoranz geschrieben habe. Es gibt viele Möglichkeiten und Lösungen für unsere Herausforderungen – im Kleinen wie im Großen, und natürlich geht’s darum etwas zu tun, sich zu interessieren, sich weiterzubilden und sich positiv und wohlwollend für Mensch und Natur einzubringen. Es ist toll zu sehen, wie sich Natur regenerieren kann und so auch die Lebensbedingungen für Menschen wieder besser werden, wenn wir uns darum bemühen. Es macht mir große Sorgen, wenn ich den Eindruck habe, dass Menschen aus reicheren Ländern oder Gesellschaftsschichten, die die Möglichkeit hätten, etwas zu tun, gleichgültig und egoistisch sind und ihre potenziell vorhandene Intelligenz nicht einsetzen. Gerade beim Thema Wasser ist es überdeutlich, dass es nur funktioniert, wenn wir uns umeinander kümmern.
Viele Menschen haben das Gefühl, sie könnten im Großen sowieso nichts verändern – wie begegnest du dieser Haltung?
Es geht darum, dass alle in ihrem Handlungsbereich, also da wo sie Einfluss haben, etwas Positives beitragen. Das kann im eigenen Haushalt oder Garten sein, am Arbeitsplatz, in der Familie, im Freundeskreis, usw.. Diesen Schritt auf jeden Fall einmal zu tun ist wichtig, bevor wir uns die Zeit zum Sorgen machen nehmen. Diese Sorge kann nämlich verhindern, dass wir überhaupt anfangen, oder auch als Ausrede dienen. Unser Wirken als Gesellschaft setzt sich aber aus all diesen Schritten zusammen, den größeren und den kleineren und letztendlich geht es immer um die Menschen, die sich mit einem Thema auseinandersetzen müssen, damit sich etwas ändert…
Tipps für den Alltag: Vom Mulchen bis zum Grauwasser
In deinem Buch sprichst du über „funktionierendes Wassermanagement“. Welche einfachen Maßnahmen kann jede*r sofort im eigenen Garten umsetzen?
Es geht hier nicht ums „sofort umsetzen“, sondern zuerst einmal ums Beobachten, Analysieren und Entscheiden, was für den jeweiligen Garten und seine Nutzer*innen die geeigneten Maßnahmen sind. Es gibt ja sehr unterschiedliche Standorte, Klimazonen und Gartennutzungen… da zahlt es sich aus genau hinzuschauen. Aber so simple Dinge wie das Mulchen der Beete und Töpfe kann ich auf jeden Fall empfehlen. Auch die möglichst schonende Bodenbearbeitung und die Bepflanzung, mit vorzugsweise mehrjährigen an den Standort angepassten Kulturen, ist ein Rat, der immer gut ist. Aber wie gesagt, zuerst kommt immer die Ortsanalyse und das Klären der Bedürfnisse der Menschen, Pflanzen, Tiere…. Also keine vorschnellen Entscheidungen treffen!
Regenwasser auffangen klingt logisch, doch viele nutzen es kaum. Woran liegt das, und was sind deine besten Tipps zur effizienten Nutzung?
Die Nicht-Nutzung liegt denke ich an der Gewohnheit, dass Regen eben einfach schnell weggeleitet wird, um im Gegenzug bei Wasserbedarf im Garten einfach die Trinkwasserleitung aufzudrehen. Das wurde lange so gemacht und es braucht etwas Zeit und Interesse für den Wasserkreislauf und seine Auswirkungen auf Garten und Landschaft, um hier umzudenken. Es macht auf jeden Fall Sinn Regenwasser zu nutzen – zur Bewässerung, als Brauchwasser im Haus, zur Befüllung von Garten- und Schwimmteichen. Wir müssen nur die jeweiligen Umweltbedingungen eines Ortes kennen und unsere Methoden daran anpassen und schon können wir diese wertvolle Ressource nutzen und gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere Flächen weniger anfällig für Hochwasser und Dürren werden.
Du schreibst über Grauwasser – also die Wiederverwertung von Haushaltswasser. Welche einfachen Möglichkeiten gibt es, es im Alltag zu nutzen?
Eine einfache Möglichkeit ist das Auffangen von Gemüse-Waschwasser, das dann zum Gießen von z.B. Topfpflanzen auf Balkon und Terrasse genutzt werden kann. Wer einen Garten hat, kann die Ernte auch direkt dort waschen und das Waschwasser gleich in die Beete leiten. Auch die Einrichtung einer Gartendusche, bei der das Duschwasser (ohne Seife) direkt in die Beete geleitet wird ist eine einfache und erfrischende Möglichkeit – zumindest in den heißen Sommermonaten.
Welche Pflanzen sind besonders hitzeresistent und eignen sich für Gärten, die mit Trockenheit kämpfen?
Bei den Kräutern gibt es hier viele – denken wir nur an die Vielfalt an mediterranen Kräutern. Wildsträucher, die in der Region auch natürlicherweise vorkommen und wachsen sind ein guter Tipp für Hecken und Grundstücksbegrenzungen. Aber auch bei Gemüse und Blumen gibt es einige, die mit sehr wenig auskommen, wie z.B. Tomaten, Lauch, Brokkoli, und viele mehr. Sehr viel macht aber aus, wie die Pflanzen gesetzt sind.
Du sprichst im Buch von „intelligentem Gießen“ – wie kann man Pflanzen so „erziehen“, dass sie mit weniger Wasser auskommen?
Selten gießen, dafür aber mehr Wasser auf einmal. Die Pflanzenwurzeln wachsen dorthin, wo sie Wasser vorfinden. Werden Pflanzen täglich gegossen entwickeln sie eher oberflächliche Wurzeln, die es ihnen nicht ermöglichen Wasser aus tieferen Bodenschichten aufzunehmen – sie sind an das tägliche Gießen gewöhnt. Tägliches Gießen macht nur bei Jungpflanzen Sinn, die ihre Wurzeln erst ausbilden müssen. Außerdem ist es wichtig, den Boden zu mulchen, so wird das Wasser besser im Boden gehalten und steht den Pflanzen für längere Zeit zur Verfügung.
Mulch, Hügelbeete, Swales – viele Techniken der Permakultur helfen, Wasser zu speichern. Welche eignet sich besonders für Einsteiger*innen?
Am einfachsten ist es mit dem Mulchen zu beginnen. Durch Mulch bedeckter Boden kann Wasser besser aufnehmen und speichern. Er trocknet weniger schnell aus und der Mulch sorgt für ein produktives Mikroklima und Nahrung für die Bodenlebewesen, die für den Humusaufbau wesentlich sind. Und Humus im Boden speichert wiederum Wasser…
Vom Balkon bis zum Acker: Jeder Tropfen zählt
Wie kann auch auf kleineren Flächen, etwa auf Balkonen oder in Stadtgärten, nachhaltiges Wassermanagement funktionieren?
Regenwasser sammeln, Beete und Töpfe/Tröge mulchen, um die Häufigkeit und Menge der Bewässerung zu reduzieren, an den Standort möglichst angepasste Pflanzen verwenden und – je nach Lage – ev. Beschattungselemente integrieren.
„Wasser ist immerhin unser Lebenselixier, da heißt es eintauchen, Kraft schöpfen und loslegen!“
Gibt es ein spezielles Kapitel oder eine Methode im Buch, die dir besonders am Herzen liegt?
Ich finde es besonders wichtig, einen Blick dafür zu entwickeln welche Wirkungen Landschaften und ihre Landschaftselemente in Bezug auf den Wasserhaushalt entfalten. Dürren und Überschwemmungen, Muren … all das ist kein Zufall, wir haben selbst dafür gesorgt, dass viele unserer Flächen dafür sehr anfällig sind. Dieses Buch zeigt von Beginn an auf, wie im Wasserkreislauf alles zusammenhängt und welche Methoden und Möglichkeiten wir haben.
Zum Abschluss: Welchen positiven Wandel wünschst du dir für die Zukunft im Umgang mit Wasser – und was können wir als Gesellschaft tun, um diesen Wandel zu fördern?
Ich wünsche mir, dass die Aufmerksamkeit sich mehr auf den Wasserhaushalt von Landschaften, Siedlungen und Gärten fokussiert – so viele Herausforderungen wären einfacher zu meistern – sei es die Lebensmittelproduktion, der Klimaschutz oder der Erhalt der Biodiversität und unserer Gesundheit. Als Gesellschaft sollten wir unsere Erfahrungen, unser Wissen, unser tatkräftiges Handeln zusammentragen und gemeinsam wirksam werden. Wir Menschen sind gescheiter, als wir manchmal wirken! Und Wasser ist immerhin unser Lebenselixier, da heißt es eintauchen, Kraft schöpfen und loslegen!