The future is: samenfest! Mit Pflanzenvermehrung die Welt ein kleines Stückchen besser machen
Kannst du glauben, dass wir mit minikleinen Gemüsesamen unseren Planeten verändern können? Bis vor ein paar Wochen hätte ich angesichts dieser Aussage wohl nur eine Augenbraue hochgezogen – aber heute sieht alles anders aus: Ich könnte Luftsprünge machen (tue ich wirklich!), wenn ich daran denke, dass winzige Samen so verdammt viel Potential haben. Samen sind die Schlüsselressource für große Fragen unserer Zeit: Wie können wir allen Menschen einen Zugang zu Lebensmitteln und ein Mitspracherecht in deren Produktion garantieren? Und wie können wir dem Klimawandel entgegenwirken? Komm mit mir auf die Reise des Samenkorns – ich zeig dir, was ich alles darüber herausgefunden habe.
Am Anfang war … der Samen?
Aber jetzt mal von vorne: Alles hat mit den ersten warmen Sonnenstrahlen (yay!) dieses Jahres begonnen. Das Gefühl, hinauszuwollen und endlich mein Lieblingsgemüse auf dem Balkon anzupflanzen, hat mich vollends gepackt: Tomaten, Karotten, Paprika … in Gedanken hielt ich bereits die erste sonnenpralle Tomate in der Hand, biss schon in die knackfrische Karotte, die ich eben aus dem Topf gezogen hatte. Dieses Jahr wollte ich wirklich ganz von vorne starten – und zwar damit, Samen auszusäen.
Aber das ist noch nicht alles: Mein Ziel war es außerdem, die Pflanzen zu vermehren. Genauer gesagt: Ich wollte mir die kräftigste Tomatenpflanze mit den allerschönsten und dicksten Früchten aussuchen und daraus die Samen gewinnen, damit ich diese nächstes Jahr wieder aussäen kann. So weit, so gut. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich lange nach den passenden Samen suchen würde, dass ich nicht nur mittendrin in der Saatgutvermehrung war, sondern auch gleich in dem ganzen Debakel, das damit einhergeht. Und ich habe begonnen zu recherchieren: zur Samengärtnerei, zu samenfesten Sorten und Hybridsorten, und bin immer tiefer eingetaucht …
Und mir wurde klar: Nicht nur am Anfang eines Pflanzenlebens steht der Samen, sondern auch ganz am Ende. Wer Pflanzen anbaut und ihre reifen Samen erntet, selektiert und kann aber auch den ganzen Lebenszyklus einer Pflanze erleben. Und dazwischen steckt eine ganz große Geschichte, die ich dir erzählen möchte.
Es lebe die Diversität!
Pflanzenvielfalt ist wichtig. Das klingt zuerst einmal selbsterklärend – denn wer mag schon Eintönigkeit? Bei näherer Betrachtung wird klar, wie viel wirklich daran hängt, dass es viele verschiedene Pflanzen und Sorten gibt.
Wir Menschen sind auf die Pflanzenvielfalt angewiesen, denn Pflanzen sind die Grundlage unserer Ernährung. Das wird auch immer so bleiben. Mit Blick auf die Pflanzen können wir uns heute noch nicht ausmalen, welche ihrer „genetischen“ Ressourcen, welche ihrer Eigenschaften eines Tages überlebenswichtig sein werden – und umso weniger können wir also heute einfach darüber bestimmen, welche Sorten wir weitervermehren und welche nicht. Nicht zu vergessen: Auch die Samen sind Teil unserer Ernährung. Wir kochen und backen mit Getreidekörnern, Bohnen, Linsen, Erbsen und verwenden Anis, Kümmel und Fenchel als Gewürze.
Auch unsere tierischen Mitbewohner brauchen die pflanzliche Vielfalt, damit sie an den verschiedensten Blüten und Blättern schlürfen, knabbern und sich daran sattessen können. Die Samen gehören ebenfalls zu ihrer Ernährungsgrundlage.
Damit wir die Pflanzen auch weiterhin für uns nutzen und ihnen unter die Blätter greifen können, brauchen wir außerdem das Wissen um ihre Vermehrung. Klar: Es gibt Pflanzen, die sich selbst aussäen oder die ihre Samen gerne vom Wind auf die Reise schicken lassen. Aber wenn wir sie gezielt anbauen wollen, müssen wir sie auch weitervermehren.
Und warum es so wichtig ist, dass wir selbst das übernehmen – und nicht an kommerzielle Saatguthersteller abtreten – erfährst du weiter unten. Damit schließt sich der Kreis und es kann wieder neues (Pflanzen-)Leben entstehen. Dieses Wissen ist übrigens bereits jahrtausendealt – und gleichzeitig für viele in Vergessenheit geraten. Wusstest du, dass Samengärtnerei eine der ältesten Kulturtechniken der Menschen ist?
Mit der Samengärtnerei können wir für eine nachhaltige, bunte und vielfältige Zukunft sorgen, in der es allen Lebewesen gut geht. Das klingt doch fantastisch, oder?
Freies Saatgut als Schlüssel für eine gute Zukunft – für alle!
Ein gutes Leben für alle. Das wünschen wir uns alle. Gleichzeitig erscheinen viele Ideen für positive Veränderungen zu unrealistisch, zu weit hergeholt, zu schwer umsetzbar. Aber hey, schau mal: Hier, mit diesem winzigen Samenkorn, haben wir einen der wirkmächtigsten Dreh- und Angelpunkte in unserer Hand. Saatgut ist eine Schlüsselressource, an der enorm viel hängt. Sie kann es ermöglichen, dass alle Menschen eine gesicherte Zukunft haben. Klingt fast zu utopisch?
Im Gegenteil! Es geht darum, dass Menschen selber über ihre Nahrung bestimmen sollen – und zwar auf der ganzen Welt. Im Februar 2007 wurde ein wichtiger Schritt in diese Richtung gesetzt. Im Dorf Nyéléni in Mali wurde von unzähligen Delegierten aus über 80 Ländern die Deklaration zur Ernährungssouveränität verabschiedet, die Folgendes besagt:
Die Art und Weise, wie wir Lebensmittel und Saatgut erzeugen, muss in erster Linie von den Menschen bestimmt werden, die sie produzieren und jenen, die sie konsumieren. Die Lebensmittel müssen unseren Bedürfnissen und denen unserer Umwelt und Mitlebewesen dienen. Das Ziel ist klar: Menschen und Ökosystem zu schützen.
Ernährungssouveränität kann damit als Gegensatz zu Ernährungssicherheit gesehen werden, weil es bei letzterer nur darum geht, Lebensmittel für alle zu sichern – was an und für sich natürlich ein super Konzept ist.
Aber: Dabei ist es egal, auf welche Art das passieren soll. Darunter fallen oft auch Programme und Maßnahmen, die sich negativ auf Kleinbauern und -bäuerinnen, lokale Märkte und von Hunger und Not betroffene Menschen auswirkt. Unter dem Deckmantel der Ernährungssicherheit werden sogar Patente auf Pflanzen und Tiere sowie der Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut gerechtfertigt. Ganz nach dem neoliberalen Prinzip: schneller, effizienter, mehr! Und dabei bleibt – wie so oft – die Natur auf der Strecke.
Bei der Ernährungssouveränität steht hingegen Fairness und Gleichheit im Mittelpunkt:
- Unterstützung zur Selbstermächtigung
- ein gerechter Zugang zu Ressourcen wie Saatgut und Land
- Stärkung der eigenen Fähigkeiten und Rechte
Diese Ziele können nur mit samenfesten Sorten erreicht werden, die immer und immer wieder vermehrt werden können. Mit Hybridsaatgut kann keine Ernährungssouveränität erzielt werden. Was genau damit gemeint ist, erfährst du weiter unten.
Samenfeste Sorten? Halten, was sie versprechen! Und machen die Welt ein Stückchen besser.
Wenn du samenfeste Pflanzensorten anbaust, ihre Samen erntest und diese wieder anbaust, wachsen in der kommenden Generation Pflanzen, die die gleichen Eigenschaften wie ihre Elternpflanzen aufweisen. Der Clou: Gleichzeitig können sie sich so – nicht zuletzt durch die Selektion – jedes Jahr ein Stück weit an ihre Umgebung anpassen. Das heißt: Ihre Ernte fällt besser aus, sie werden resistenter und weniger anfällig für Krankheiten. Das ist vor allem wichtig, wenn sich die Umweltbedingungen verändern. Genau das sind die Sorten, mit denen sich die Menschen selber und selbstbestimmt versorgen können.
Hybridsamen? Bringen nur kurzes Glück! Und ziehen schwerwiegende Folgen nach sich.
Ganz anders sieht es bei den Hybridsorten aus. Die Gemüse, die daraus wachsen, weisen nur einen geringen Anteil an Vitaminen und anderen gesunden Inhaltsstoffen auf. Zudem sind sie oft geschmacklos und – ja – alle Gemüse schauen gleich aus. Für die Lebensmittelindustrie und globalen Märkte ist das natürlich von großem Vorteil – vor allem auch die Tatsache, dass diese Gemüse gut lager- und transportfähig sind.
Moment, was mich aber noch interessieren würde: Wie entstehen Hybridsamen überhaupt – und warum gibt es sie? Um möglichst günstige Eigenschaften hervorzubringen, werden diese Pflanzen im Labor mit sich selbst gekreuzt und hochgezüchtet. Heraus kommt ein Samen, der zwar eine wachsende und auch ertragreiche Pflanze hervorkeimen lässt, aber das war’s dann auch schon.
Würdest du die Samen dieser Pflanze weitervermehren, würdest du nicht weit kommen: Durch die gentechnische Veränderung bildet dieser neue Samen keine lebensfähige oder nutzbare Pflanze aus, da ihre Inzuchtlinien nicht vermehrungsfähig sind. Das Ergebnis wäre etwa ein Tomatenstrauch ohne Tomaten, oder ein Kürbisgewächs, aus dem ein ungenießbarer Kürbis wächst. Dieser Umstand spielt der kapitalistischen Logik, die hinter der massenhaften Verbreitung steckt, perfekt in die Hände:
Hybridsamen sind Einwegprodukte. Man kauft sie, man verbraucht sie, man wirft sie weg. Und im nächsten Jahr werden wieder neue Hybridsamen gekauft. Ein wirtschaftlich genialer Schachzug, der böse Folgen mit sich bringt.
Und jetzt zeigt sich langsam, aber umso deutlicher das ganze Ausmaß: Denn nur drei Weltkonzerne (Syngenta-ChemChina, Monsanto-Bayer und Dupont-Dow) kontrollieren ca. 50 % des weltweiten Saatguthandels. Mit Unterstützung der WTO (Welthandelsorganisation), der Weltbank, des IWF (Internationaler Währungsfonds) und strenger Saatgutgesetze fördern sie ausschließlich die Verbreitung von industriellem Hybridsaatgut. Und sie kriminalisieren in Gartenbau und Landwirtschaft tätige Menschen, die samenfeste alte Kulturpflanzensorten produzieren.
Viele dieser Konzerne haben Patente auf Pflanzen, Gene oder bestimmte Pflanzeneigenschaften angemeldet, die es unter Androhung hoher Geldstrafen verbietet, solche Pflanzen, aber auch die, die diese Eigenschaften und Gene haben, zu vermehren. Das hat natürlich fatale Konsequenzen für die Ernährungssouveränität, die Vielfalt und unser Leben.
Ein weiteres Problem von Hybridsorten: Damit sie gut wachsen können, müssen optimale Bedingungen herrschen – sie brauchen eine hohe Nährstoffversorgung durch Mineraldünger und einen intensiven Pflanzenschutz durch Pestizide. Und jetzt rate mal, wer diese Dünge- und Spritzmittel verkauft? Natürlich: dieselben Konzerne, die auch Hybridsaatgut verkaufen.
Nachdem mir von diesen Infos nun schon der Kopf geschwirrt hat, habe ich herausgefunden, dass dieser hohe Nährstoffverbrauch noch dazu das komplette Gegenteil zu dem darstellt, was samenfeste Sorten eigentlich können …
Sag dem Klimawandel den Kampf an!
Ich habe schon erwähnt, dass sich samenfeste Sorten an die Umweltbedingungen anpassen können. Und, ganz ehrlich: Was könnte uns Menschen in Zeiten des Klimawandels und immer extremeren Wetterbedingungen Besseres passieren?
Samenfeste Sorten tragen oft unbemerkte Eigenschaften und Fähigkeiten in ihren Genen mit sich, die sich als nützlich erweisen können, wenn sich die Bedingungen ändern. Das wird besonders dadurch begünstigt, wenn die Pflanzen die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten in verschiedene Richtungen auszuweiten. Diese Superkraft können jedoch nur samenfeste Sorten einsetzen, die jedes Jahr angebaut werden und so mittendrin sind, wenn Veränderungen in der Witterung oder im Boden passieren.
Und egal, wie viel wir Menschen auch herumtüfteln: Solche Anpassungsvorgänge können im Labor nur unzureichend nachgespielt werden – das heißt, das Gemüse aus Hybridsaatgut wird niemals so gut angepasst sein wie das aus samenfestem Saatgut!
In den letzten 100 Jahren sind 75 % der bis dahin bekannten Kulturpflanzen von der Erdoberfläche verschwunden (später mehr dazu). Das heißt, es gibt viele der Sorten nicht mehr, die wir jetzt dringend brauchen würden: Mit den Kulturpflanzen sind nämlich auch die besonderen Eigenschaften und Anpassungen an ganz unterschiedliche Bedingungen verschwunden, die uns gerade jetzt gut helfen könnten.
Denn diese Sorten waren an ganz unterschiedliche Bedingungen gut angepasst und und zeigten verschiedene Vorlieben in Bezug auf Standort, Reifezeitpunkt, Toleranzen gegenüber Trockenheit, … Außerdem wiesen sie spezielle Inhaltsstoffe auf.
Viele Hungersnöte aus der Menschheitsgeschichte sind traurige Beispiele dafür, was passiert, wenn nur wenige Gemüse und wenige Sorten angebaut werden – und somit Monokulturen vorherrschen. Als in den 1840er-Jahren in Irland die Kartoffelfäule ausbrach, war die Nahrungs- und Lebensgrundlage der Menschen ruiniert, nicht zuletzt, weil die aus Amerika importierte Knolle das damalige Hauptnahrungsmittel war. Was noch dazu beitrug: Nicht alle Kartoffelsorten wären anfällig für die Pilzkrankheit gewesen. Aber in Irland wurden damals nur zwei verschiedene Sorten angebaut.
Du siehst: Werden verschiedene Pflanzenarten und -sorten angebaut, kann das Risiko minimiert werden, dass wir plötzlich ohne Nahrungsmittelgrundlage dastehen. Das können wir für die Zukunft erwarten: Auch wenn die Bedingungen noch extremer werden, es wird immer Sorten geben, die besser damit klarkommen und zufriedenstellende Ernten bringen – darum ist es außerdem wichtig, die Vielfalt zu erhalten!
Hier schließt sich der Kreis: Samenfeste Sorten brauchen in ihrem gesamten Lebenszyklus viel weniger Ressourcen als Hybridsorten, weil sie gut an ihre Umstände angepasst sind und keine Pestizide und Dünger benötigen.
Ein paar Schritte zurück: Wieso sind Samen heute überhaupt hybrid?
Wenn wir mit Samen für Ernährungssouveränität sorgen, damit dem Klimawandel trotzen und ihm sogar entgegenwirken könnten – wie konnte es dann soweit kommen, dass heute fast ausschließlich Samen verkauft werden, die eben nicht samenfest sind, sondern hybrid?
Wie sind rote, gelbe und schwarze Tomaten entstanden?
Zuerst müssen wir uns anschauen, wie Kulturpflanzen wie Tomaten, Kartoffeln und Mais überhaupt entstanden sind. Schon vor tausenden von Jahren haben Menschen mit der Samengärtnerei begonnen. Durch gezielte Selektion haben sie nur solche Pflanzen vermehrt, deren Eigenschaften sie als besonders wünschenswert empfanden, z. B. größere Getreidekörner, süßere Früchte, dickere Kohlköpfe. So wurden bestimmte Eigenschaften Schritt für Schritt verstärkt oder eben zurückgedrängt. Die Menschen haben also genau solche Kulturpflanzensorten vermehrt, die für sie besonders nützlich und schmackhaft waren und immer noch sind.
Bei Wildpflanzen hat die Natur zur Selektion beigetragen. Umweltfaktoren wie Wasserangebot, Temperatur oder bestimmte Pflanzenfresser wirkten auf die Pflanze ein. So wurden die Individuen aussortiert, die sich unter genau diesen Bedingungen am besten vermehren konnten. Diese natürlichen Selektionsverfahren haben sich aber auch auf unsere Kulturpflanzen ausgewirkt und dabei geholfen, diese an bestimmte Bedingungen wie Trockenheit und Frost anzupassen.
Denn was nützen große Früchte, wenn genau diese Pflanze nicht mit den Bedingungen zurechtkommt? Wichtig also, damit eine nützliche Kulturpflanze entstehen kann: ein Zusammenspiel aus natürlicher Selektion und der Auswahl durch den Menschen.
Um 1500 sind Tomaten, Paprika und Mais dann von Südamerika nach Mitteleuropa gekommen. Und zwar, weil Menschen sie mitgebracht haben. Die große Kulturpflanzenvielfalt ist ein jahrtausendealtes Gemeinschaftsprojekt! Sie hat Menschen zusammengebracht und konnte nur entstehen, weil viele Bäuerinnen und Bauern in vielen Regionen ihre Lieblingspflanzen über Jahre hinweg anbauten, nutzten und vermehrten. Sie haben ihr Wissen und ihre Samen weitergegeben und getauscht. Die Verbreitung förderten danach die Aufspaltung in viele Sorten und Varietäten. Viva la diversidad!
Das graue Zeitalter der Hybridsorten
Statt Gemüse in allen Formen, Farben und Größen gibt’s ab dem 19. Jahrhundert nur noch Einheitsbrei: Die Kulturpflanzensorten werden von den sogenannten Hochzuchtsorten verdrängt, die von spezialisierten Zuchtbetrieben durch Kreuzungszüchtungen hergestellt werden. Als wäre das nicht genug, kommen erste Saatgutgesetze und Kontrollstellen hinzu, die dafür sorgen, dass nur ausgiebig geprüfte Pflanzensorten eine Zulassung für den Verkauf erhalten. Wer hier nicht mitspielen darf? Du wirst es schon ahnen: die bäuerlich gezüchteten Sorten, weil sie durch ihre genetische Vielfalt nicht einheitlich genug waren.
Die Vielfalt der Kulturpflanzen geht in den letzten hundert Jahren enorm zurück:
- In den USA sind 95 % der Kohlsorten, 91 % der Maissorten und 81 % der Tomatensorten nicht mehr verfügbar.
- Im Südosten Frankreichs haben die Leute bis ins 20. Jahrhundert 250 Pflanzenarten kultiviert und verwendet – heute sind es nur noch 60.
(Quelle: Arche Noah: „Wozu Vielfalt?“)
Mit der modernen Hybridzüchtung ist die bäuerliche Pflanzenvermehrung so gut wie ganz verschwunden. Denn hier werden – wie wir bereits wissen – Einmalsorten produziert, die nicht weitervermehrt werden können. Hinzu kommt die Trennung zwischen Saatgutproduktion und dem Anbau von Nahrungsmitteln. Heute dominiert die industrielle Produktion sowohl in der Produktion von Saatgut als auch im Anbau von Lebensmitteln. Dass dabei vielen Anforderungen hinsichtlich Umweltschutz, Gesundheit und Arbeitnehmer*innenschutz nicht genug Beachtung geschenkt wird, ist für unsere Zukunft ein sehr teures Vermächtnis.
Sind wir also gezwungen, immer weiter Hybridsorten zu kaufen? Nein!
Immer her mit den samenfesten Sorten!
Es gibt glücklicherweise viele Vereine und Betriebe, die samenfeste Sorten anbieten:
Im Onlineshop der Arche Noah findest du beispielsweise haufenweise samenfestes Bio-Saatgut – zum Beispiel für lila marmorierte Kartoffeln, Zuckermais oder Zimtbasilikum. Beim Online-Hofladen vom Sonnentor Frei-Hof kannst du bequem Bio-Jungpflanzen von samenfesten Gemüse-Raritäten bestellen und zu dir nachhause liefern lassen.
Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Apropos: Ein weiterer Vorteil der Samenernte besteht darin, dass es immer so viel mehr sind, als man tatsächlich im nächsten Jahr aussäen kann – ich seh‘ mich also schon ein Samenfest mit Freund*innen feiern, beim Sorten-Austauschen und Diskutieren und freu mich, dass die Samengärtnerei immer noch mehr Menschen zusammenbringt. Und darauf, meine Gemüse jedes Jahr beim Wachsen und Sich-Anpassen zu beobachten. Vor meiner Nase passiert dann ein Stück Evolution und ich bin live dabei – wie abgefahren ist das denn?