Permakultur-Landwirtschaft: Wie kann das funktionieren?
Eintönige Weizenfelder und dazwischen riesige Erntemaschinen: So sieht die konventionelle Landwirtschaft vielerorts aus. Die ökologischen Folgen sind leider verheerend. Mit der Permakultur wollen wir ein Alternativmodell in der Landwirtschaft vorstellen: Wirtschaften in einem stabilen Ökosystem, das auch Kindern und Enkelkindern eine Lebensgrundlage bietet. Klingt gut? Dann lies hier rein und erfahre, wie eine Permakultur-Landwirtschaft konkret aussehen kann und was die ersten Schritte sind, um eine Fläche nach Permakultur-Prinzipien zu gestalten.
The circle of life: Was ist Permakultur?
Packen wir die Sache bei der Wurzel – und sehen wir uns zuerst einmal an, was unter Permakultur zu verstehen ist.
Du bist bereits mit dem Konzept Permakultur vertraut? Dann spring doch direkt zur Umsetzung in der Landwirtschaft und den Praxistipps.
… die Grundgedanken
Die Wissenschaftler Bill Mollison und David Holmgren sind es, die in den 1970er Jahre das Konzept der Permakultur formulierten und die Permakultur-Bewegung bekannt gemacht haben. Ihr Ziel: Ökosysteme zu schaffen und zu nutzen, die langfristig stabil bleiben und sich selbst erhalten. Dazu trugen sie verschiedene Prinzipien und Haltungen zusammen: z. B. zu beobachten, was in der Natur funktioniert.
So lernt man, natürliche Kreisläufe zu verstehen und sie effizient nachzuahmen. Besonders wichtig ist es auch, zu berücksichtigen, dass die einzelnen Lebewesen in Beziehung zueinander stehen und sich unterstützen können.
Die beiden haben die naturnahe Herangehensweise an den Landbau aber nicht erfunden. Vielmehr ließen sie sich von indigenen Völkern wie den australischen Ureinwohner*innen inspirieren. Auch bei afrikanischen Völkern, im tropischen Asien oder bei indigenen Völkern in Nord- und Südamerika finden sich ähnliche naturnahe Anbauweisen.
Immer fair bleiben: die Permakultur-Ethik
Die Basis für die Permakultur-Landwirtschaft bilden drei ethische Grundsätze:
- Earthcare – für die Erde zu sorgen
- Peoplecare – für die Menschen zu sorgen
- Fair Share – gerechtes Verteilen der erwirtschafteten Überschüsse
… und die Praxis
Permakultur bedeutet aber nicht, der Natur einfach ihren Lauf zu lassen: Hinter den idyllischen Biosystemen steckt viel handfeste Planung! Schließlich sollen Tiere, Pflanzen und Landschaft wie Zahnrädchen ineinandergreifen.
Bewährte Prinzipien einer Permakultur sind z. B.:
- Humusaufbau: Für einen fruchtbaren Boden, der langfristig reichhaltigen Ertrag liefert. Eine bewährte Methode dafür ist etwa die Gründüngung.
- Vielfalt fördern: So verhindert man, dass Schädlinge überhandnehmen und sorgt dafür, dass sich das System selbst ausgleichen kann.
- Einteilung in Zonen: Arbeitsintensive Flächen sind nahe beim Haus, die „Wildwuchs“-Zonen dafür weiter weg. So ersparst du dir im Alltag viele lästige Wege.
- Kreative Lösungen finden: In Stein gemeißelt ist hier nichts. Beobachten, probieren und anpassen lautet die Devise!
- Multifunktional denken: Der Bewässerungsteich ist gleichzeitig Lebensraum für nützliche Insekten, die Obstbäume liefern Nahrung und befestigen gleichzeitig den Boden … und so weiter und so fort.
Wie sieht Permakultur in der Landwirtschaft aus?
Bislang ist die Philosophie der Permakultur vor allem auf kleineren Flächen umgesetzt worden: z. B. mit Permakultur-Gärten oder naturnahen Erholungsparks. Kann das auch in großem Stil funktionieren? Landschaftsgärtner Jonas Gampe meint: Ja! Eine Umgestaltung der Landwirtschaft nach Permakultur-Prinzipien ist möglich.
Mit ein paar Bio-Pflanzenschutzmitteln ist es aber nicht getan. Vielmehr geht es um völlig andere Landschaftsstrukturen. Monokulturen adieu – hallo stabiles Ökosystem!
Vielfältige Nutzlandschaften
Anstatt riesige Flächen nur mit einjährigen Kulturen wie Weizen oder Raps zu bepflanzen, werden in der Permakultur-Landwirtschaft verschiedene Nutzpflanzen miteinander kombiniert.
Eine solche sich selbst regulierende Nutzlandschaft kann z. B. aus folgenden Elementen bestehen:
- Ackerfläche für einjährige Feldfrüchte: Hier wachsen klassische Feldfrüchte wie Getreide, Kartoffeln oder Mais. Die Ackerfläche profitiert von Humusbildung, Windschutz, Wasserrückhalt und Schädlingsregulation der anderen Bereiche.
- Bäume für Wertholz: Nuss-, Ahorn- oder Kastanienbäume liefern Holz und Nüsse. Durch die Höhe von bis zu 30 m lässt sich die Fläche optimal ausnutzen. Um Erntemaschinen nicht zu behindern, werden sie aufgeastet und in entsprechendem Abstand gepflanzt.
- Obstbäume: Sie liefern viel Ertrag mit wenig Aufwand und schaffen Lebensraum für viele nützliche Arten.
- Sträucher und Hecken: Windschutz für umliegende Bereiche mit positiven Effekten auf den Ertrag angrenzender Flächen. Wildobsthecken liefern darüber hinaus auch Nahrungsmittel.
- Erdwälle und Wasserspeicher: Regulieren den Niederschlag, indem sie das Wasser starker Regenfälle speichern und die Wasserversorgung sicherstellen.
- Wiesenflächen und Gemüsebeete: Anfallendes Heu von den Wiesen kann auf den Gemüsebeeten zum Mulchen verwendet werden – eine Win-win-Situation!
- Biotopflächen: In ungenutzten Winkeln entstehen Totholzhaufen, Trockensteinmauern oder andere Biotope zur Förderung der Artenvielfalt.
Dabei ist jede Permakultur-Fläche einzigartig und an die regionalen Gegebenheiten angepasst. Je nach Klima, Landschaft und erwünschtem Ertrag können unterschiedliche Elemente zum Einsatz kommen.
Pestizide? Brauchen wir nicht!
In großen Monokulturen nehmen Schädlinge und Beikräuter schnell überhand. Die Folge: Nur durch Pestizide und Herbizide lässt sich der Ertrag sichern. Die Permakultur-Landwirtschaft geht hingegen ganz andere Wege.
Durch die Vielfalt der Pflanzen können sich einzelne Arten nicht mehr unkontrolliert ausbreiten. Und inmitten der Sträucher, Bäume und Wiesen tummeln sich zahlreiche Nützlinge, welche die Schädlingspopulation auf natürlichem Weg regulieren.
Ertrag? Muss stimmen!
Die großen Fragen sind aber sicherlich: Ist das Ganze nur ein idyllischer Traum? Kann sich das rentieren? Ja – denn Permakultur ist ein sehr durchdachter, pragmatischer Ansatz.
Es handelt sich nämlich keinesfalls um ungeplanten Wildwuchs. Im Gegenteil: Die sorgfältige Planung ist das A und O. Und einige Permakultur-Prinzipien steigern gleichzeitig die Effizienz:
- Alle Elemente werden so angeordnet, dass sie sich gegenseitig fördern und nicht behindern.
- Eine genaue Standortanalyse stellt sicher, dass die Pflanzen zu Boden, Wind und Klima passen.
- Ackerflächen werden genau so angelegt, dass sie breit genug für Erntemaschinen sind.
Unter diesen Bedingungen zeigt sich, dass sich der Ertrag in der Permakultur oft sogar steigern lässt. Insbesondere, wenn man eine langfristige Perspektive einnimmt und bedenkt, dass konventionelle Landwirtschaft auf Dauer zahlreiche Probleme schafft (z. B. ausgelaugter Boden, resistente Beikräuter).
Permakultur-Landwirtschaft anlegen: 2 Beispiele
Die Begeisterung für die Permakultur hat dich gepackt? Dann wird’s jetzt noch konkreter! Anhand der folgenden zwei Beispiele zeigen wir dir, wie sich eine Permakultur-Landwirtschaft planen und anlegen ließe.
Übrigens: Ideen und Konzepte stammen vom Permakultur-Gestalter und Landschaftsplaner Jonas Gampe. Alle Details und Bilder kannst du in seinem Buch nachschlagen: „Letzter Ausweg: Permakultur.“
Wald und Feld: Agroforst mit Biotopen, Obst und Beeren
Beim Agroforst werden klassische Ackerflächen mit Reihen aus Bäumen und Sträuchern kombiniert. Dazwischen eingestreut finden sich kleine Feucht- und Trockenbiotope, die die Artenvielfalt erhöhen.
Das Konzept eignet sich für kleine bäuerliche Betriebe mit 5 bis 10 Hektar Fläche. Die landwirtschaftlichen Erträge bestehen aus Feldfrüchten, Obst, Beeren und Wertholz.
Folgende Arbeitsschritte sind notwendig, um den Agroforst anzulegen:
- Planung erstellen
- Die Flächen für die Gehölzreihen mit Gründüngung ansäen
- Bäume pflanzen und mit passendem Baumschutz versehen
- Feldheckengehölze, Wildobst und Beeren pflanzen
- Kleinbiotope anlegen
Und hier noch die wichtigsten Informationen im Überblick:
Geeignete Flächengröße | Mindestens 5.000 m², maximal 10 Hektar |
Flächenart | Die Fahrspuren sollten in Nord-Süd-Richtung verlaufen. |
Kosten der Erstanlage | Ca. 6.326 € pro Hektar |
Benötigte Pflege der Grundstruktur | 1 guter Arbeitstag pro Jahr und Hektar |
Erträge | 67 % Ackerfläche verbleiben, dazu kommen gut 5 Tonnen Obst, Wildobst und Beeren und noch einmal 2.064 € an Wertholz pro Jahr. |
Aus dem Vollen schöpfen: Permakultur zur Direktvermarktung
Dieses Konzept ist darauf ausgelegt, ein möglichst breites Sortiment an Produkten zu generieren: von Feldfrüchten über Obst, Gemüse, Wildkräutern bis hin zu Pilzen ist alles dabei. Die Flächenaufteilung eignet sich ideal für kleinere Betriebe mit ca. 1 Hektar Größe.
Diese Permakultur-Landwirtschaft ist explizit für die Direktvermarktung geplant und eignet sich z. B. gut für einen Market-Gardening-Betrieb: Die erwirtschafteten Produkte werden vor Ort an Konsument*innen verkauft. Dazu gehört auch ein gewisser Erlebnisfaktor – mit Besichtigung der Permakultur und Früchten zum Selbstpflücken. So wird die Kund*innenbindung gestärkt.
Folgende Arbeitsschritte sind notwendig, um die Permakultur anzulegen:
- Umfassende Standortanalyse, Planung und Flächenaufteilung erstellen
- Wiese und Wege mit Wildkräutermischungen ansäen
- Bäume pflanzen und mit für den Standort passendem Baumschutz versehen
- Wildobst und Beerensträucher pflanzen
- Feuchtbiotope anlegen
- Pilzstämme und Stroh beimpfen
- Einige mediterrane Kräuter und Sträucher pflanzen
- Bewirtschaftung der Ackerfläche
Und hier noch die wichtigsten Informationen im Überblick:
Geeignete Flächengröße | Sollte aufgrund des hohen Ernteaufwandes nicht zu groß sein, 1 Hektar ist eine gute Startgröße. |
Flächenart | Alle Flächen sind möglich. Eine vollsonnige Lage wäre aufgrund der vielen Anbauschichten jedoch sinnvoll. |
Kosten der Erstanlage | Ca. 15.572 € bis 19.825 € pro Hektar |
Benötigte Pflege der Grundstruktur | 2,5 Arbeitstage pro Jahr und Hektar |
Erträge | Sehr vielfältige Erträge aus Nüssen, Obst, Wildobst, Beeren, Gemüse, Pilzen und einjährigen Feldfrüchten
Ca. 46,19 Tonnen essbare Erträge pro Jahr und Hektar |
Wie? So! Inspiration für Permakulturist*innen to be
Permakultur-Landwirtschaft ist noch großteils Pionier*innenarbeit. Umso inspirierender sind die ersten, visionären „Kreislauf-Fans “, die mit ihren landwirtschaftlichen Flächen Neues wagen:
Permakultur-Hof Großwallstadt
Alles weiterführen wie gehabt? Nein, dachte sich der Sohn eines Landwirts im fränkischen Großwallstadt.
Auf 2 Hektar Land gründete er seinen eigenen kleinen Hof und gestaltet diesen seit 2018 zu einer vielfältigen, ertragreichen Oase um: mit Feuchtbiotopen, Wildobsthecken, Agroforstsystem und extensiven Gemüseflächen.
Kreislauf-Hof bei Dörverden
Aber auch im hohen Norden tut sich was: Auf einem ehemaligen Kasernengelände zwischen Bremen und Hannover entsteht ein Permakultur-Vorzeigebetrieb. Bestehende Gebäude werden mit Dach- und Fassadenbegrünungen gestaltet, neben Pilzen wachsen auf dem Gelände bald Obst- und Nussbäume, Beeren, Gemüse und Kräuter.
Dabei greift alles ineinander: Die Pilzkulturen wachsen auf Holzresten aus der Forstwirtschaft, nach einiger Zeit dient das zersetzte Holz dann als Dünger für die Gemüseflächen.
Das große Ganze: Ist Permakultur die Zukunft der Landwirtschaft?
Klimawandel, Artensterben und Trinkwasserverschmutzung aufhalten – und dabei noch ausreichend regionale Lebensmittel produzieren? Klingt fast zu gut, um wahr zu sein! Aber wenn es nach Jonas Gampe geht, ist es möglich: mit einer Agrarwende.
Er rechnet vor: Die zusätzlich gepflanzten Bäume und der Humus würden jährlich Tonnen an CO2 binden. Weitere nützliche Effekte: Schaffung von Ernährungssouveränität und Aufbau von sauberem Grundwasser.
Apropos CO2 binden: Auch Carbon-Farming kann einen großen Beitrag dazu leisten, Kohlenstoffdioxid in Form von Kohlenstoff im Boden zu speichern. In unserem Magazinbeitrag erfährst du genau, wie diese Methode der regenerativen Landwirtschaft funktioniert.
Natürlich gibt es auch Kritik am Prinzip Permakultur – beispielsweise, dass sich damit keine ausreichenden Nahrungsmittel erwirtschaften lassen. Und tatsächlich darf man den Weizenertrag aus konventioneller Landwirtschaft nicht mit Weizenertrag aus Permakultur vergleichen – hier schneidet die Permakultur-Landwirtschaft deutlich schlechter ab. Nimmt man jedoch alle produzierten Lebensmittel zusammen und vergleicht die Kaloriendichte, dann sieht die Sache schon anders aus.
Und darüber hinaus würde eine Permakultur-Agrarwende auch einige Änderungen mit sich bringen:
- Mehr Personalbedarf in der Landwirtschaft
- Weniger Umsätze in der Agrarchemie
- Anderer Bedarf an landwirtschaftlichen Maschinen
Allerdings ist klar: Ändern wird sich so und so sehr vieles – die Frage ist nur, in welche Richtung. Und hier hält die Permakultur zahlreiche spannende, positive Ansätze bereit!
Let’s do it: Landwirtschaft mit Permakultur umgestalten!
Egal, ob mit dem Gemüsegarten vorm Haus oder dem 10 Hektar großen Agroforst: Die Prinzipien der Permakultur lassen sich überall umsetzen. Die beiden Vorzeigeprojekte der Permakultur-Landwirtschaft zeigen, wie es gehen kann. Also: Lasst uns losplanen, Ökosysteme aufbauen und die Zukunft artenreich gestalten!
Mit kreativen Ideen eine lebenswerte Zukunft bauen – das ist genau dein Ding? Dann wirf doch einmal einen Blick in eines unserer Bücher:
3 Kommentare zu “Permakultur-Landwirtschaft: Wie kann das funktionieren?”
[…] Urban-Farming-Projekte legen Wert auf einen ökologischen Anbau oder Permakultur-Landwirtschaft, der weder Natur noch Mensch ausbeutet. Mehr Grünflächen sorgen für bessere Stadtluft. Und […]
Liebes Löwenzahn-Team, herzlichen Dank für Ihre aufmerksame und profunde Informationsarbeit, wodurch unser Leben “im grünen Bereich” bleibt und ein zukunftsorientiertes Umdenken erleichtert. Mit schönen Grüßen aus Wien, Jutta Kleedorfer
Liebe Jutta, danke für deine lieben Worte, das freut uns sehr! 🙂 Liebe Grüße zurück nach Wien, Christina
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