„Das Potenzial zur Veränderung ist überall vorhanden“ – ein Interview mit Jonas Gampe
Bei Jonas Gampe dreht sich alles um Kreisläufe. Der gelernte Garten-Landschaftsbau-Techniker und Permakultur-Designer plant und gestaltet gemeinsam mit seinem Team Permakultur-Flächen, Projekte vom pflegeleichten Selbstversorger-Garten bis zur ökologischen Biotop-Landwirtschaft. Wir haben mit ihm über seine Arbeit und das Potenzial von Permakultur in der Landwirtschaft gesprochen.
Hi Jonas. Erzähl uns doch bitte zuerst einmal, wie genau deine Arbeit als Permakultur-Designer aussieht.
Jonas: Das sind sehr unterschiedliche Arbeiten, je nachdem, in welchem unserer vielen Bereiche ich gerade arbeite. Im Planungsbüro bin ich meist damit beschäftigt, die Kund*innenanfragen zu koordinieren, bei Vor-Ort-Terminen zu beraten oder Bestandsanalysen durchzuführen, Planungen und Konzepte zu erstellen, Kostenschätzungen für verschiedene Umsetzungsvarianten anzufertigen – eben alles, was für eine passende Planung nötig ist, die dann auch bestmöglich umgesetzt werden kann.
Wenn wir dann solche Planungen in die Realität umsetzen, ist die Arbeit eine völlig andere. Dann bin ich mit der Baustellenorganisation vor Ort beschäftigt oder auch mit sämtlichen praktischen Arbeiten (Bagger fahren, Bäume pflanzen, Beete anlegen, Artenvielfalt ansäen usw.).
Und dann haben wir ja auch noch ein paar eigene Projekte, bei denen die verschiedensten Arbeiten anfallen. Hinzu kommen noch Kurse und Vorträge halten, Bücher schreiben, Interviews geben usw.
Also insgesamt eine sehr schöne Mischung aus fast allen Arbeiten, die man sich so vorstellen kann (von Büro bis Baustelle und von Lehren bis Lernen). Das Einzige, was alle diese Arbeiten gemeinsam haben, ist, dass sie viel Spaß machen und ordentlich was bewegen.
Was hat dich an dem Konzept Permakultur so interessiert? Wieso bist du dort gelandet?
Jonas: Für mich ist es das aktuell bestdurchdachte Konzept, das umfassende Lösungsmöglichkeiten für fast alle aktuellen Probleme der Menschheit bereithält. So viele positive Effekte, mit so geringem Aufwand … Das kenne ich von keinem anderen Konzept. Zudem lebt der Permakultur-Ansatz davon, dass er ständig weiterentwickelt und an die konkreten Gegebenheiten angepasst wird. So sind ständig Kreativität und Pioniergeist gefragt, aber auch die Verknüpfung der Ideen mit der fachlichen Praxis aus anderen Bereichen. Diese Ansätze und Arbeitsweisen kommen meinem konstruktiv-kreativ-pragmatischen Vorgehen sehr entgegen, weshalb die Permakultur und ich ausgezeichnet zusammenarbeiten können.
Kannst du ungefähr sagen, wie viele Gärten oder Flächen du schon umgestaltet hast?
Jonas: Genau mitgezählt habe ich da nicht. Aber in Summe waren es bisher vermutlich rund 400 Projekte: von ganz kleinen Hausgärten über Parkanlagen im öffentlichen Raum bis hin zu landwirtschaftlichen Spezialbetrieben oder auch größeren Feldern.
Wann kam die Idee auf, dass Permakultur auch auf großen Flächen, in der Landwirtschaft funktionieren kann?
Jonas: Diese Idee war von Anfang an da. Das Gestaltungskonzept Permakultur wurde ja ursprünglich für die großflächige Landwirtschaft entwickelt. Da wir aber keinen eigenen Hof hatten bzw. eben nicht direkt aus der Landwirtschaft kommen, konnten wir die Ideen nicht gleich auf 200 Hektar Fläche starten. Wenn man sich aber professionell mit Permakultur beschäftigt, kommt man um den landwirtschaftlichen Bereich gar nicht drum herum. Zum einen liegt dort aufgrund des Flächenanteils aktuell das größte Potenzial, zum anderen sucht dieser Bereich immer stärker nach zukunftsfähigen Möglichkeiten, da auch viele Landwirte sehen, dass es so nicht weitergehen kann.
Wird das irgendwo auf der Welt schon umgesetzt?
Jonas: Permakultur-Landwirtschaft wird schon fast überall auf der Welt umgesetzt. Zumindest vereinzelt und im Kleinen. Was aktuell in Mitteleuropa noch fehlt, sind ein paar großflächige Betriebe, wo man einfach mal auf ca. 50 Hektar zeigt, wie das dann konkret aussehen kann und funktioniert. In Australien gibt es die ältesten Projekte dazu, da der Ansatz ja von dort kommt. Allerdings bringt uns das erstmal nicht ganz so viel, da das australische Klima doch ziemlich anders ist als bei uns in Europa und daher dort andere Dinge Thema sind als bei uns. Landwirt*innen, die aber tatsächlich den Ehrgeiz haben, umfassend etwas in eine zukunftsfähige Richtung zu verändern, finden auch in Europa genügend kleine Versuchsprojekte, an denen sie sich orientieren und die dortigen Ideen für größere Flächen anpassen oder abstrahieren können.
Wie sieht die Entwicklung derzeit aus – besteht Interesse von Landwirt*innen an dem Konzept? Oder geht die Einstellung eher in Richtung „alles genauso weitermachen wie bisher“?
Jonas: Ich beobachte, dass vor allem junge Landwirt*innen großes Interesse an zukunftsfähigen Möglichkeiten und Modellen für ihre Betriebe haben. Sie sagen oft selbst, dass diese Art der Bewirtschaftung jeden Moment zusammenbrechen kann. Und unzählige landwirtschaftliche Betriebe mussten ja auch schon in Konkurs gehen. Deshalb haben viele Junge nach der Übernahme des elterlichen Hofs oder Betriebs das Bestreben nach einer Veränderung, damit sie auch in Zukunft noch gut und sicher von ihrer Arbeit leben können. Keinerlei Motivation etwas verbessern zu wollen, ist aktuell von Seiten der Politik zu sehen. Wenn man zukunftsfähige Lösungen umsetzen möchte, kann man also schon mal davon ausgehen, dass man auf politischer Ebene keine Unterstützung bekommen wird, einem dafür aber von dort viele absolut unnötige Steine in den Weg gelegt werden. Aber zum Glück gibt es reichlich Gesetze, an denen sich alle orientieren müssen und die politischen Organe haben dann in der Praxis doch recht wenig zu entscheiden. Umsetzbar sind solche Konzepte also durchaus, auch gegen den politischen Widerstand.
Was ist für dich das zwingendste Argument für eine Agrarwende?
Jonas: Eine zukunftsfähige Agrarwende ist schlichtweg unvermeidbar. Wenn wir in Zukunft auch nur halbwegs angenehm auf diesem Planeten leben wollen, sollten wir ganz schnell damit anfangen, unsere Landschaften wieder stabil, artenreich und ökologisch wertvoll zu gestalten. Aber auch die Landwirt*innen selbst könnten mit anderen Strukturen sehr viel angenehmer und besser leben, hätten weniger Ernteausfälle, dadurch mehr Stabilität und deutlich höhere Gewinnspannen, wenn sie auch die Vermarktungsstrukturen neu denken.
Für langfristig denkende Menschen gibt es eigentlich keine Argumente gegen eine Permakultur-Agrarwende, sondern nur hunderte dafür.
Würde eine Agrarwende auch Einfluss auf Wetterextreme wie Starkregenereignisse haben?
Jonas: Absolut! Wir haben bei landwirtschaftlichen Planungen meist den Anspruch, dass kein Tropfen Regen die Fläche verlässt, sondern jeder Niederschlag dort zurückgehalten wird und langsam ins Erdreich einsickern kann. Wären alle Felder so gestaltet, würde von dort schon mal kein Wasser mehr bei Starkregen abfließen. Das verringert das Risiko von Überschwemmungen und Schlammlawinen natürlich enorm.
Aber auch alle anderen Wetterextreme, wie Dürren, starke Hitze, Sturm und Hagel wären deutlich abgemildert. In der Permakultur-Landwirtschaft sind ja quasi ein bis zwei Drittel der gesamten Fläche mit essbaren Gehölzstrukturen bepflanzt. Das hat umfassende Auswirkungen auf Luftfeuchte, Windbremse, Wasserrückhalt, Beschattung und mildert somit alle Wetterextreme ab.
Wie stellst du dir eine Zukunft vor, in der die Agrarwende bereits begonnen hat? Was würde sich ändern?
Jonas: Das kommt sehr darauf an, in welchem Umfang die Flächen umgestaltet werden. Wenn tatsächlich ein großer Anteil der Landwirtschaft in Richtung Ökosystem-Landwirtschaft umgestaltet wird, würde sich sehr viel zum Positiven wenden. Das fängt beim gesamten Wasserhaushalt an: wieder reichlich sauberes Grundwasser, Rückhalt von Starkregen, Befeuchtung der Luft und damit auch gleichmäßigerer Niederschlag. Zudem wäre wieder eine hohe Biodiversität und ein Anhalten des Artensterbens gegeben. Eine derartige Veränderung in der Landwirtschaft hätte aber auch reichlich positive Effekte für den Menschen: schönere Landschaften, gesündere Lebensmittel, weniger Stress durch extreme Umwelteinflüsse usw. Und vor allem auch Nahrungssouveränität und sauberes Trinkwasser in allen Regionen weltweit.
Allerdings sollte man da schon auch etwas realistisch bleiben. Denn selbst wenn wir in ganz Europa eine halbwegs flächendeckende Ökosystem-Landwirtschaft etablieren würden, wäre der globale Einfluss leider recht gering. Solange sich an den aktuellen Zuständen also nicht weltweit etwas ändert, werden wir wohl in ein paar Jahrzehnten auf einem halbwüstenartigen Planeten leben, mit ziemlich nervigen und zunehmend anstrengenden Lebensbedingungen.
Das Potential zur Änderung ist aber überall vorhanden und noch können wir die Biosphäre wieder gut stabilisieren, sofern wir bald damit – auch auf großer Fläche – beginnen.
Was ist dein Tipp für Menschen, die gleich etwas verändern wollen? Wo können wir am besten anfangen?
Jonas: Momentan hilft es am meisten, erstmal möglichst viele essbare Bäume und Gehölze zu pflanzen. Das kann im eigenen Garten losgehen und natürlich auch auf großen Flächen. Wer keine Flächen zur Verfügung hat, kann stattdessen Politik und Behörden weiter unter Druck setzen. Denn wenn dort der Wille zur Veränderung vorhanden wäre, hätten diese durchaus reichlich Einfluss und Möglichkeiten, zukunftsfähige Projekte zu fördern. Leider bewegt sich die Politik aber offensichtlich erst, wenn der Druck von außen groß genug ist. Also wo es nur geht, darauf hinweisen, welche tollen Ideen und Möglichkeiten es gibt und forsch danach fragen, warum diese nicht von Politik und Behörden unterstützt werden. Wenn man beispielsweise die Gemeindeverwaltung vor Ort nur lange genug damit nervt, werden sie sicher irgendwann eine gemeindeeigene Fläche rausrücken, auf der dann ein Permakultur-Park für alle angelegt werden kann.
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