„Ich gärtnere mit Löffel und Gabel auf meinem Fensterbrett und wenn ich das hinkriege, kannst du das auch.“ – Interview mit Deike Haßler
Was mit ein paar geschenkten Samen in Deike Haßlers Stadtwohnung begann, hat sich zu einem üppigen Dschungel mit über 100 verschiedenen Gemüsepflanzen auf kleinstem Raum entwickelt. Von null auf Ernte, sozusagen. Und genau hier setzt ihr Buch „Fensterbrettgarten“ an: Es zeigt, dass Gärtnern nicht nur auf Garten oder Balkon beschränkt sein muss. Auch deine Fensterbretter stecken voller Möglichkeiten für blühende Kräuter, spicy Chilis, knackige Gurken und noch so viel mehr. Ihre Erfahrung zeigt, dass jede*r Gärtnern kann – alles, was du brauchst, ist ein Fensterbrett und die Lust, es auszuprobieren.
Im Interview erzählt Deike Haßler, wie sie zum (Fensterbrett)Gärtnern gekommen ist, was sie dabei über sich und die Pflanzen gelernt hat und gibt praktische Tipps für deinen eigenen Fensterbrettgarten.
Wie ist es dazu gekommen, dass du selbst Gemüse, Obst, Kräuter und Blumen anbaust und was hat dich motiviert?
Alles begann im Frühjahr 2021, als ich in meine neue Wohnung gezogen bin. Vorher hatte ich nur zwei kleine Fenster in meiner Studentenwohnung, durch den Umzug habe ich mich um 13 Fenster und einen 14 m2 großen Balkon gesteigert (ich weiß, man darf es eigentlich gar nicht laut sagen, aber da hatte ich echt großes Glück). Zum Einzug habe ich ein bisschen Saatgut geschenkt bekommen und dachte, ich probiere einfach mal, ob überhaupt und wenn ja, was in Kiel auf einem Ostbalkon so wachsen kann. Und siehe da, tatsächlich streckten schon nach ein paar Wochen die ersten Pflänzchen ihre Köpfe aus der Erde. Zimmerpflanzen hatte ich auch schon in meiner Studentenwohnung und deshalb auch ein ungefähres Verständnis davon, wie ich Pflanzen am Leben halte. Auf die Idee mit Gemüse und Co kam ich dann erst durch den Balkon. Und, auch wenn man sich das schwer vorstellen kann, als der Platz dann langsam knapp wurde, bin ich dazu übergegangen, auch die Fensterbretter zu nutzen und habe im Nachhinein festgestellt, dass es nicht mal einen Balkon braucht und ich sogar in meiner Studentenwohnung hätte Gemüse haben können.
Was waren die Schwierigkeiten, die du am Anfang hattest?
Dass man ab und zu ungebetenen Besuch bekommt, kannte ich schon von den Zimmerpflanzen. Allerdings habe ich mir vorher nie Gedanken darüber gemacht, wie sich die Pflege von Pflanzen verändert, sobald sie dicht am Fenster oder sogar draußen stehen. Plötzlich hatten meine Pflanzen Sonnenbrand und Pilzkrankheiten, ich musste an möglichen Regen und Frostschutz denken, Schmetterlingsraupen als solche erkennen und vorsichtig absammeln etc. Die Umstände habe ich heute zwar auch noch teilweise, erkenne mögliche Probleme aber schneller und kann sie demnach auch eher verhindern.
Hast du dir das Gärtnern selbst beigebracht oder hattest du Hilfe?
Ich fahre nach dem Prinzip learning by doing und das klappt für mich ziemlich gut. Inspiration und das nötige Know-how habe ich anfangs vor allem auf Instagram gesammelt. Nicht nur, indem ich mir angeschaut habe, wie und wann andere gärtnern, sondern auch, weil ich mir ein paar Wochen nach dem Einzug im Sommer 2021 auch einen Account angelegt habe, auf dem ich den Fortschritt meiner Balkon-Gartenkarriere feshalte. Dort bin ich schnell in den Austausch gekommen und habe wertvolle Tipps bekommen. Wenn ich nicht weiterweiß, frage ich auch heute noch die Community oder behelfe mir sonst auch mal mit Google.
Ist das Gärtnern (auch auf „kleinerem“ Raum) ein Fulltime-Job oder kannst du die Pflege, Anzucht, Ernte etc. gut in deinen Alltag integrieren?
Dadurch, dass sich die Pflanzen direkt an oder in der Wohnung befinden, ist ein Fensterbrettgarten super alltagstauglich. Einen eigenen Garten in der Stadt zu haben ist in Kiel fast utopisch. Da bleibt eigentlich nur die Schrebergarten-Option und die hat neben einem großen Vorteil, dem Platz, eben auch Nachteile wie feste Termine und Absprachen, Kosten und die Tatsache, dass sich der Weg für „mal eben 10 Minuten Gartenarbeit“ wahrscheinlich oft nicht lohnt. Meinen Mini-Garten kann ich auch in der Mittagspause kurz pflegen und bewirten. Ich benötige im Sommer alle zwei, drei Tage grob geschätzt eine Stunde für die Pflanzen auf meinen Fensterbrettern (ohne Balkon), von Herbst bis zum Frühjahr eher weniger. Dieser vergleichsweise geringe Zeitaufwand müsste sich also eigentlich auch bei Workaholics integrieren lassen.
Wie hat sich dein Verständnis für den Anbau von Lebensmitteln, durch die Erfahrung selbst welche anzubauen, entwickelt bzw. verändert?
Meine Wertschätzung für Lebensmittel ist ungemein gestiegen. Einige Früchte benötigen teilweise mehrere Monate, bis sie geerntet werden können und das weiß man am besten zu schätzen, wenn man sie dabei begleitet. Zu wissen, dass eine Paprika fünf Monate an einer Pflanze gewachsen ist und von mir angezogen, umgetopft, gepflegt, gedüngt, wöchentlich mehrmals gegossen wurde, hält mich davon ab, Lebensmittel verkommen zu lassen. Abgesehen von dem grandiosen Gefühl, die eigene „Produktion“ in den Händen zu halten. Ebenso habe ich seitdem ein ganz anderes Verständnis für steigende Lebensmittelpreise – oder eher ein Unverständnis darüber, dass sie bisher und teils immer noch überhaupt zu solchen Preisen angeboten wurden.
Nicht selten schrecken mich prallgefüllte Obst- und Gemüsetheken in Supermärkten ab und ich frage mich dann oft, wo das unperfekte Gemüse landet, was mir in meinem Garten so gut schmeckt und im Supermarkt nirgends zu sehen ist. Auch die Auswahl passt einfach oft nicht mehr zu meiner Wertvorstellung von gesundem, klimaneutralem (und damit möglichst regionalem) Gemüse. Umso glücklicher bin ich, dass ich mittlerweile aufgrund des großen Balkons fast in der Lage bin, mich über die Sommermonate mit Gemüse selbst zu versorgen.
Welche Pflanzensorte darf auf deinem Fensterbrett auf keinen Fall fehlen?
Mini-Auberginen! Sie sehen nicht nur wirklich sehr schön aus, sondern schmecken auch unfassbar lecker. Bei vielen Zwergsorten (z. B. Mini-Aubergine, Snackgurke, Cherrytomaten) ist es so, dass die Früchte besonders intensiv schmecken. Bei uns werden die Mini-Auberginen, die so groß sind wie eine Pflaume, gerne im Sommer gegrillt, ins Ofengemüse geschnitten oder einfach kurz in der Pfanne angebraten. Köstlich!
Was möchtest du mit deinem Buch erreichen bzw. wozu möchtest du die Leser*innen bewegen?
Ich möchte Mut machen und zeigen, dass jeder Mensch – genau so wie ich – Obst, Gemüse, Kräuter und Blumen anpflanzen, pflegen und ernten kann. Ohne großes Vorwissen, ohne mega Ausstattung, ohne großen Garten – egal, wie man wohnt. Ich gärtnere nicht im warmen Süden, bin weder Biologin noch Landwirtin oder auf andere Weise prädestiniert dafür, Menschen das Gärtnern beizubringen. Ich gärtnere mit Löffel und Gabel auf meinem Fensterbrett und wenn ich das hinkriege, kannst du das auch. Warum sollte es bei mir klappen und bei anderen nicht?
Wie können Leser*innen sicherstellen, dass ihre Fensterbrettgärten erfolgreich sind, besonders wenn sie wenig Erfahrung mit dem Gärtnern haben?
Grundsätzlich rate ich zu „Weniger ist mehr“. Wie bei jedem neuen Hobby kann man sich auch beim Fensterbrettgärtnern schnell verlieren und sich übernehmen. Deshalb mein Tipp: behutsames Annähern ans Gärtnern. Ich würde mit schnellem und einfachem Gemüse starten. Salat, Spinat oder Erbsen müssen nicht vorgezogen werden, sind unkompliziert und bereits nach ein paar Wochen erntereif. Oder man beginnt zunächst mit Gemüsepflanzen aus dem Gartencenter, z. B. einer Tomate. Schafft man es bis zur Ernte und hat den Dreh mit der Pflege raus, könnte man anschließend die eigene Anzucht in Angriff nehmen.
Was sind einige der wichtigsten Tipps, die du Einsteiger*innen geben würdest, die einen Fensterbrettgarten anlegen möchten?
„Kauft mein Buch!“ (Da sind alle wichtigen Tipps drin) und „Probieren geht über Studieren!“
Es wird nicht alles beim ersten Mal klappen und das ist normal und auch ok. Pflanzen sind Lebewesen und genau so individuell wie wir Menschen, auch sie haben manchmal ihren eigenen Kopf. Vielleicht ist es nicht die richtige Pflanze für dieses halbschattige, zugige Fensterbrett oder es war einfach ein ungewöhnlich heißer oder nasser Sommer? Manchmal lasse ich eine Sorte auch ein Jahr links liegen und starte dann im Jahr darauf mit neuem Elan. Hauptsache es macht Spaß!