„Das Selbermachen schafft kleine bewusste Inseln” – Interview mit Deborah und Florian Hucht
Florian und Deborah Hucht sind die Autor*innen von „Projekte zum Anpacken“. Beide sind in der Medienbranche tätig und verbringen viel Zeit vor dem Bildschirm. Den passenden Ausgleich finden sie darin, mit eigenen Händen anzupacken, ihre vielen DIY-Ideen zu realisieren und dabei draußen in der Natur zu sein. Mit dem Erwerb ihres eigenen Kleingartens haben sie sich endlich selbst Raum geschaffen, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und selbst Bestimmer*in zu sein. Im Interview erzählen sie uns, welche Bedeutung das Gärtnern und Selbermachen für sie hat, wie relevant und wichtig es gerade in der heutigen Zeit des Massenkonsums und der Wegwerfgesellschaft ist, welche Projekte bei ihnen noch anstehen und wie ihr Buch entstanden ist.
Wie kam es dazu, dass ihr das Buch „Projekte zum Anpacken“ geschrieben habt?
Deborah und Florian Hucht: Die Verlagsleitung kam auf uns zu, ob wir nicht Lust hätten, ein Buch zu schreiben. Da wir gerade mehr in Richtung DIY machen wollten, kam die Anfrage wie gerufen.
Was war der schönste Moment beim Schreiben/ Gestalten des Buches?
Wir haben viele coole Projekte gemacht. So etwa die Feuerstelle, die wir fürs Buch umgesetzt haben: Sie stand schon ewig auf unserer To-Do-Liste und es wurde Zeit für dieses Projekt. Wir freuen uns jeden Tag darüber, wenn wir im Garten sind. Es war nochmal ein richtiger Schub an Kreativität, mit Christina [Kindl-Eisank, Verlagsleiterin Löwenzahn Verlag, Anm. d. Red.] zu brainstormen, was alles machbar wäre. Am Ende sind einige neue Projekte herausgekommen, die wir in der Form gar nicht geplant hatten. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht.
Warum ist der Ausgleich mit Gärtnern, Selbermachen und Basteln so wichtig für euch?
Das fing schon an, bevor wir unseren Garten gefunden hatten und noch in Vollzeitjobs arbeiteten. Wir haben gemerkt, wie es uns förmlich rauszieht an die frische Luft. Weg von den Rechnern. Zuerst haben wir Deborahs Schwester geholfen, das Haus zu renovieren, dann haben wir hier und da bei Angehörigen im Garten mitgemacht. Und diese Arbeitseinsätze schafften den Ausgleich, das zur-Ruhe-kommen. In der Agenturarbeit macht man diverse Projekte und Kampagnen, Onlinemagazine, Onlinebanner. Aber es ist etwas anderes, wenn man sein Arbeitsprodukt in den Händen halten, es essen oder sich hineinsetzen kann. Das ist viel nachhaltiger und gleichzeitig eine gute Therapiemöglichkeit. In der Agentur ist man getrieben von anderen Meinungen und Entscheidungen, im Garten sind wir die Bestimmer*innen. Wir können entscheiden, wie wir etwas machen wollen. Damit ermöglichen wir uns ein Stück Freiheit und Gestaltungsfreiraum.
Und warum kann der Ausgleich für andere Menschen, die euer Buch in die Hand nehmen, ebenso relevant und notwendig sein?
Wir finden, dass das Buch Lust macht, etwas umzusetzen. Das Buch soll zeigen, dass man im Kleinen Selbstwirksamkeit erfahren kann. Und es soll die Menschen dafür begeistern, sich zu trauen. Unsere Nachbarn etwa schrecken vor großen Projekten zurück. Wir sagen aber: Probiert es aus! Denn man kann nur besser werden. Es geht auch darum, herauszufinden, was einem Spaß macht und so sein eigenes Ding zu finden, sich ermutigt zu fühlen. Es kommen andauernd Menschen auf uns zu, die sagen, dass sie das auch gerne machen würden, aber keine entsprechende Ausbildung haben. Die haben wir aber selber nicht, und darum geht es auch nicht. Wenn ein Grundinteresse da ist, sollte man es einfach ausprobieren.
Das Buch kann somit Sicherheit bieten, weil es eine Orientierungshilfe ist. Man hat die Anleitung schwarz auf weiß und kann immer wieder nachsehen und -lesen. Klar, auf Pinterest gibt es genauso viele Anleitungen, aber die Auswahl ist dort einfach zu groß. Das überfordert die Leute.
Welchen Tipp habt ihr für Menschen, die sich noch nicht an ein DIY-Projekt heranwagen, weil sie Angst haben, dass es nicht gelingt?
Wir haben mehrere Tipps. Der wichtigste ist wohl: Einfach mal machen, man lernt ja beim Ausprobieren und wird mit der Zeit besser. Das Buch ist vor allem auch für Anfänger*innen geeignet, weil es kleinere Projekte gibt. Man muss ja nicht gleich mit einem Kletterturm beginnen – bastelt einfach mal ein paar Blumensachen.
Es sind oftmals Frauen, die vor großen Geräten zurückschrecken: „Da traue ich mich nicht dran, ich hole mir lieber jemanden zur Seite, Freund*innen oder Nachbar*innen, wie mache ich das eigentlich?“ Da ist es hilfreich, jemanden dazu zu holen, der das schon gemacht hat, z. B. über Social Media, Nachbarschaftsgruppen oder aus dem Freundeskreis. Einen Garten-Buddy, damit man vier Hände hat statt zwei und nicht alleine dasteht.
Außerdem merkt ihr vielleicht z. B. bei einem Projekt: „Ich mag organische Materialien, aber Metall und Plastik sind nicht meins.“ Kein Problem – es muss nicht immer alles für jeden sein. Verwendet die Materialien, die euch Spaß machen. Und schraubt eure Ansprüche herunter. Der Weg ist das Ziel, es geht ja schließlich ums Machen. Klar, das Ergebnis soll schön sein oder auch funktional. Aber perfekt muss es nicht sein. Das unterscheidet uns vielleicht auch von anderen DIY-Makern.
Wir würden auch empfehlen, aufs Vergleichen zu verzichten. Wer schon seit 20 Jahren mit Holz, diversen Sägen und anderen Geräten arbeitet, sollte nicht euer Maßstab sein. Wenn man das ganze Holz verschnitten hat, ist es natürlich blöd. Aber aus solchen Fehlern lernt man, wird mit der Zeit besser und vor allem kreativer. Dann fällt einem ein Lösungsvorschlag ein. Diese Frustrationsmomente sind auch Lernmomente.
An welchem neuen Projekt arbeitet ihr beide aktuell?
Wir sind in der Planungsphase für ein Terrassengeländer mit mehr Sichtschutz oder vielmehr Sonnenschutz. Wir brauchen mehr Schatten für unsere Terrasse, es soll praktisch und schön zugleich werden.
Warum sind „Do it yourself“ und Nachhaltigkeit aus eurer Sicht derzeit so essenziell?
Da kommen viele Faktoren zusammen. Angefangen mit der Energiekrise: Alles wird teurer. DIY ist oft eine gute Möglichkeit, Geld zu sparen und mit Dingen zu arbeiten, die man schon hat. Über Kleinanzeigen oder auf dem Sperrmüll kann man günstig an Material kommen. Es geht aber auch darum, die Dinge wertzuschätzen. Wenn ihr etwas selbst gemacht habt, werdet ihr ein ganz anderes Verhältnis dazu haben als zu einer gekauften Sache. Und macht euch vielleicht eher die Mühe, etwas zu reparieren, statt es gleich neu zu kaufen.
Im Garten lernen wir viel über das Thema Saisonalität: Wir nehmen bewusster wahr als früher, wie sich Jahreszeiten verändern. Und sehen auch unmittelbar die Auswirkungen des Klimawandels – man hat viel mehr einen Blick darauf, was in der Natur passiert. Und ja, man kann auf Klimademos gehen oder Petitionen starten. Man kann aber auch im Kleinen beginnen. Wir sind noch lange keine Selbstversorger*innen und machen nicht alles perfekt. Aber wir versuchen, uns so klimaneutral wie möglich zu verhalten. Auch wenn es manchmal unbedeutend wirkt, wie zum Beispiel Regenwasser sammeln oder Holzreste verarbeiten – das Selbermachen schafft kleine bewusste Inseln. Und es ist eine gute Art, dieses Umdenken auszuleben.