Aus eins mach viele: Pflanzenvermehrung mit Samen und Stecklingen
Du möchtest deine eigenen Gemüse- und Kräuterbabys ziehen? Pflanzenvermehrung ist gar nicht so schwer, wenn du ein paar Basics beachtest. Wir zeigen dir, was du brauchst, um aus einem Mini-Samen deine Lieblingstomate sprießen zu lassen oder wie du aus einem einzigen Rosmarinstock ganz viele machen kannst – das perfekte Give-away für deine nächste Grillparty.
Botanik 101: Wie vermehren sich eigentlich Pflanzen?
Es gibt zwei Möglichkeiten, Pflanzen zu vermehren: Du kannst deine eigenen Jungpflanzen entweder aus Samen ziehen oder über einzelne Pflanzenteile, wie Wurzel- oder Blattstecklinge, Zwiebeln, Sprossknollen oder Ausläufer, vermehren.
Die Vermehrung über Pflanzenteile wird auch vegetative oder ungeschlechtliche Vermehrung genannt. Die Vermehrung über Samen bezeichnet man als generative oder geschlechtliche Vermehrung. So oder so: Der Pflanze von klein auf beim Wachsen zuzuschauen, sie zu hegen und zu pflegen, bis sie unzählige Früchte, Blätter, Knollen oder Wurzeln ausbildet, ist einfach schön.
Die generative Pflanzenvermehrung – Erbgut einmal schön durchmixen
Bei der generativen Pflanzenvermehrung wächst also die Pflanze aus einem kleinen Samenkorn. Dabei wird das Erbgut der Pflanzeneltern neu aufgemischt, das ist ähnlich wie bei uns Menschen. Ein pflanzliches Samenkorn entsteht nämlich aus der Vereinigung von männlichem Erbgut (das im Pollen enthalten ist) und weiblichem Erbgut (das in der Samenanlage vorkommt).
Damit ist die Jungpflanze ihren Elternpflanzen zwar ähnlich, aber nicht mit diesen identisch. Auch die einzelnen Nachkommen unterscheiden sich jeweils geringfügig voneinander.
Tipp: Wie du am besten an tolles Saatgut kommst
Es gibt unterschiedliche Wege, um an gutes Saatgut zu kommen:
Eine einfache Möglichkeit ist es, biologisches Saatgut zu kaufen. Mittlerweile wird eine unglaublich große Auswahl an Sorten angeboten, die du zum Beispiel bei Saatguthändlern online bestellen oder im Gartenhandel kaufen kannst. Wichtig ist dabei immer, darauf zu achten, dass es sich nicht um Hybridsorten (F1) handelt. Diese sind zum Einmalanbau gedacht und können nicht selbst vermehrt werden. Du musst sie also jedes Jahr neu kaufen.
Eine andere Möglichkeit ist es eben, Samen selber zu ernten. Wie das geht, erklären wir dir weiter unten. Und wenn du unter die Saatgutzüchter gegangen bist, kannst du auf Saatgut-Tauschbörsen deine Errungenschaften mit anderen teilen und erhältst dafür andere Samen-Kostbarkeiten.
Die vegetative Pflanzenvermehrung – ganz ohne Samen
Bei der Pflanzenvermehrung ohne Samen schneidest du Wurzel- oder Blattteile aus einer Pflanze heraus oder verwendest Ausläufer, Zwiebeln oder Sprossknollen, um aus einer alten Pflanze eine neue zu machen. Eine andere Möglichkeit ist auch, einen bestehenden Pflanzenstock zu teilen, was zum Beispiel bei Schnittlauch sehr gut funktioniert.
Es gibt zwei Gründe für die vegetative Pflanzenvermehrung: Erstens ist bei manchen Gemüse- und Kräuterarten die vegetative Pflanzenvermehrung einfacher als die Vermehrung über Samen. Und zweitens bilden manche Pflanzen, wie zum Beispiel die Kartoffel, gar keine Samen aus. Sie können nur vegetativ, also über Pflanzenteile selbst, vermehrt werden.
Der Nachwuchs ist dann genetisch identisch mit der Mutterpflanze, nur eben ein bisschen jünger. Das heißt, die neue, junge Pflanze weist dieselben Eigenschaften wie ihre Mutter auf, verfügt zum Beispiel über dieselbe Wuchsform und die gleiche Blatt- und Blütenfarbe.
Gut zu wissen: Pflanzen, die ausschließlich vegetativ vermehrt werden können
Hier findest du eine Übersicht über Pflanzen, die du nur vegetativ vermehren kannst:
- Kartoffel, Erdmandel, Knollenziest
- Knoblauch, Etagenzwiebel
- Schnittlauch, viele Stauden
- Meerrettich
- Minzen
- Spargel
- Schalotte
Samengärtnerei macht Spaß – und ist gar nicht so schwierig
Für viele Gärtnerinnen und Tüftler ist die Samenernte ein Gebiet, auf dem sie sich richtig austoben können. Ausgelernt hat man dabei nie. Wenn du noch nie Saatgut geerntet hast, startest du am besten mit Gemüsepflanzen, die ihre Samen relativ freigiebig zur Verfügung stellen, wie etwa Tomaten, Paprikas oder Chilis. Hier zeigen wir dir grundsätzlich und konkret am Beispiel der Tomate Schritt für Schritt, wie du zu selbst geerntetem Saatgut kommst:
1. Samenernte: So kommst du an die begehrten Körnchen
Je nachdem, um welche Pflanze es sich handelt, wird Samen unterschiedlich geerntet. Am einfachsten machen es uns Gemüse, deren Samen bei der Ernte der reifen Frucht auch bereits reif sind. Das sind zum Beispiel die bereits erwähnten Tomaten, aber auch Kürbisse. Anders sieht dies bei anderen Gemüsearten aus. Hier ein kleiner Überblick:
- Die Spätzünder: Gurken, Zucchini, Erbsen und Bohnen kommen in unseren Kochtopf, wenn ihre Samen noch nicht reif sind. Möchtest du von ihnen Saatgut ernten, musst du die Frucht bis zur Überreife an der Pflanze lassen.
- Die Schönlinge: Salate, beispielsweise, müssen wiederum in Blüte gehen, damit du Samen ernten kannst. Die Blüten bilden sich ganz von selbst aus, du darfst einfach die Köpfe nicht abschneiden.
- Die Zögerlichen: Gemüse wie Mangold, Karotten oder Rote Rüben bilden überhaupt erst dann Samen aus, wenn du sie überwintern lässt.
Du siehst also, die Samenernte ist ein recht weites Feld. Am besten, wir schauen uns also wieder die liebe Tomate an, die zur Kategorie unkompliziert gehört. Da ist Schritt 1 schnell erledigt: Halbiere für die Samenernte eine reife Frucht und nimm mit einem Löffel die Samen heraus.
2. Saatgutaufbereitung: Jetzt wird gereinigt und getrocknet
Unter der Saatgutaufbereitung versteht man die Arbeitsschritte zwischen Ernte und
Lagerung der Samen. Grundsätzlich gibt es bei der Saatgutaufbereitung zwei Methoden, die je nach Kulturart angewandt werden:
- Nassreinigung bei Fruchtgemüse
- Trockenreinigung bei allen anderen Samenträgern
Bei der Tomate musst du die Samen also nassreinigen. Dafür gibst du die Samen, die noch vom Fruchtfleisch umhüllt sind, in ein Glas mit etwas Wasser, das du mit einer Frischhaltefolie abdeckst. Mit der Zeit (ca. 1–2 Tage) löst sich die Ummantelung. Die Samenkörner fühlen sich dann nicht mehr glitschig, sondern rau an, wenn du sie zwischen deine Finger nimmst. Ist es soweit, spüle die Samen gut mit Wasser ab und lege sie zum Trocknen einzeln auf.
3. Saatgut lagern: Ab ins Samensäckchen
Wenn die Samen trocken sind, werden sie gelagert. Wichtig ist dabei, auf folgende Punkte zu achten:
- Trockenes Saatgut: Je trockener das Saatgut ist, desto länger behält es seine Keimkraft. Keinesfalls darf sich Saatgut beim Einlagern klamm anfühlen, da es sonst schimmelt.
- Dichte Gefäße: Wenn Saatgut möglichst wenig Luftkontakt hat, atmet es nicht so viel und altert nicht so schnell. Am besten eignen sich also zum Beispiel gut verschließbare Gläser, aber auch Samensäckchen.
- Kühle, dunkle und trockene Lagerung: Optimal für die Lagerung von Saatgut sind Temperaturen zwischen 0 °C und 10 °C. Am besten bewahrt man das Saatgut in einem dunklen Raum oder in einer dunklen Schachtel auf. Außerdem sollte das Lager für dein Saatgut trocken sein.
4. Beschriftung: So behältst du den Überblick im Samen-Dschungel
Die Samensäckchen oder Gläser solltest du unbedingt gut beschriften, sonst kann es sein, dass du schnell den Überblick verlierst. Auf jedem Säckchen oder Glas sollten die Kulturart (Tomate), der Sortenname (‚San Marzano‘) und das Jahr der Ernte (2020) vermerkt sein.
Dein kleiner Pflanzenklon: So geht Pflanzenvermehrung durch Stecklinge
Du hast beim Nachbarn eine besonders schöne Rhododendron-Staude gesehen oder möchtest aus deinem üppig wuchernden Rosmarinstock mehrere Nachkommen ziehen, um sie an deine Freunde zu verschenken? Dann kannst du die Pflanzenvermehrung durch Stecklinge ausprobieren. Wir haben dir die wichtigsten Infos dazu zusammengefasst:
• Bei welchen Pflanzen bietet sich die Vermehrung mit Stecklingen an?
Grundsätzlich ist es so, dass sich Pflanzen, die nach einem Rückschnitt schnell wieder neue Triebe bilden, für eine Vermehrung durch Stecklinge anbieten. Das sind zum Beispiel viele Kräuter wie Rosmarin, Salbei, Thymian, Basilikum, Oregano und Zitronenverbene oder Stauden wie Flieder, Hortensien, Schneeball und Oleander.
• Wann soll man Stecklinge schneiden?
Der beste Zeitpunkt, um aus deiner Lieblingspflanze mehrere zu machen, sind die Sommermonate Juni bis August. Denn es ist einerseits sehr wichtig, dass die Stecklinge von jungen Trieben genommen werden. Nur die können bewurzeln. Allerdings dürfen die Stecklinge auch nicht mehr zu weich oder zu dünn sein. Das heißt, ein Rosmarinsteckling hat zum Beispiel schon eine leichte Rinde.
• Wie schneide ich einen Steckling?
Um einen Steckling zu schneiden, gehst du am besten in der Früh oder vormittags ans Werk. Ein scharfes Messer ist ein Muss. Schneide einen Stängel knapp unter einem Knoten ab und entferne alle Blätter. Nur die obersten zwei oder drei bleiben am Stängel. Sie ernähren die Pflanze, bis sie neue Wurzeln gebildet hat. Dann kommt der Steckling in einen kleinen Topf mit Anzuchterde und wird gut angegossen.
• Welche Stecklinge kann man im Wasser bewurzeln?
Manche Pflanzen brauchen keine Erde, um Wurzeln zu bilden. Du kannst die Stecklinge also auch in einer kleinen Vase Wurzeln schlagen lassen. Dafür gibst du den Steckling einfach bis zum Blattansatz ins Wasser, das du wöchentlich austauschen solltest. Besonders eignen sich dafür Rosmarin, Basilikum, Melisse, Minze, Estragon, Buntnessel, aber auch zum Beispiel Oleander und andere Ficus-Arten.
Samengärtnerei macht Sinn: durch Pflanzenvermehrung zu mehr Vielfalt
Du siehst, Pflanzen selber zu vermehren, ist gar nicht so schwer. Und neben der Ernte von duftenden Kräutern und leuchtendem Gemüse gibt es wohl kaum etwas Schöneres, als die eigenen Pflanzenkinder von Beginn an liebevoll zu begleiten. Außerdem verhilfst du damit auch der ein oder anderen alten Sorte, weiter zu überleben. Wenn du noch mehr zum Thema Pflanzenvermehrung wissen möchtest, schau doch in das Handbuch Samengärtnerei oder in Wie du dein eigenes Saatgut gewinnst – und so ein kleines Stück Welt rettest. Dort findest du viele weitere Infos, wie du deine Pflanzen-Babys großziehen kannst.