Vom eigenen Garten leben – so verdienst du mit deinem Gemüse Geld
Die Biograbegabel wühlt sich durch die feuchte Erde, Schritt für Schritt lockert Maude-Hélène Desroches die oberste Bodenschicht des Beetes. Kistenweise verlädt ihr Mann Jean-Martin Fortier vor Frische geradezu strahlende Endivienköpfe auf den Karren, während sich die Tomatenstauden unter dem Überfluss ihrer schweren roten Früchte biegen.
Für viele leben sie einen Traum: Jean-Martin und Maude-Hélène arbeiten im Rhythmus der Jahreszeiten. Bei ihnen kommt auf den Teller, was sie in den Monaten zuvor in ihrem eigenen Garten großgezogen haben. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben sie tagtäglich vor Augen, für die Kartoffeln, Rüben, Kürbisse in ihren Erntekörben und für ihren Unterhalt sorgen sie mit ihren eigenen Händen. Denn sie leben von den Erzeugnissen ihres eigenen Gemüsegartens. Mehr als das: Sie leben gut davon.
Von einem gepachteten 1000 m² Grundstück in Québec, auf dem sie in den Anfangstagen vorübergehend sogar campten, starteten die jungen Gemüsegärtner*innen in das Abenteuer Vielfalts-Gärtnerei. Sie wollten einfach nur gärtnern und davon leben, heute gehören sie zu den einflussreichsten Gemüsebäuer*innen der Welt und erwirtschaften auf ihrem (nun etwas größeren) Feld jährlich sechsstellige Summen.
“Besser anbauen, statt mehr”
Das Außergewöhnliche an der Geschichte: Das Credo der beiden lautet “Besser anbauen, statt mehr”. Anstatt auf große Investitionen und die Mechanisierung ihrer Kulturflächen zu setzen, schlugen sie von Anfang an den Weg der biointensiven Landwirtschaft ein. Auf der Basis von minimalen Kosten verfolgten sie von Beginn an die Idee, die Produktion zu intensivieren und gleichzeitig so weit wie möglich manuell zu arbeiten. Ohne viel Eigenkapital, Geräte und auf einer Fläche, die so groß ist wie ein Fußballfeld, vom Gärtnern leben — geht das überhaupt?
Vogelgezwitscher statt Motorenlärm, Radhacke statt Traktor
Ja, das geht, Jean-Martin Fortier und Maude-Hélène Desroches machen es uns eindrucksvoll vor: Ein funktionierender und rentabler Kleinbetrieb, der auf gesunde, regionale und biologische Landwirtschaft setzt, ist möglich. Man muss dazu kein*e Träumer*in sein oder wildromantischen Fantasien nachhängen. Der Verzicht auf Technisierung, die vermeintliche Selbstbeschränkung auf kleine Flächen, das Beharren auf direktem Vertrieb — die Maximen seiner „biointensiven Methoden“ folgen einer bestechenden Logik und nicht etwa naiver Fortschrittsverweigerung. Und ihre Methode zahlt sich aus, wie Fortier uns in seinem Buch, das jetzt schon ein Klassiker der Gartenliteratur ist, vorrechnet.
Von der Auswahl des Standorts, der Berechnung der Anfangsinvestitionen bis zur Vermarktung und dem Vertrieb der Ernte hat er zukunftsweisende Antworten für Food-Coops, Selbstversorger*innen, Gemeinschaftsgärtner*innen und angehende Gemüsebäuer*innen.
Tipp: Hast du schon mal vom Market Gardening gehört? Oder hast du Lust, in die Selbstversorgung zu starten und möchtest deinen eigenen Selbstversorger*innen-Garten anlegen?
Was, wenn wir die Landwirtschaft neu denken könnten?
Entdeckt in diesem Auszug aus “Bio-Gemüse erfolgreich direktvermarkten” Jean-Martin Fortiers Traum einer anderen Landwirtschaft und lasst euch von seiner Vision der Vielfalts-Gärtnerei anstecken!
Small is beautiful
aus: “Bio-Gemüse erfolgreich direktvermarkten” von Jean-Martin Fortier
Mit weniger als einem Hektar das Auslangen finden – ist das möglich?
Die Mehrzahl der Menschen, die aus der Landwirtschaft kommen, sind natürlich zunächst einmal skeptisch, wenn es um die Frage geht, einen Gemüsekleinbetrieb, oder wie wir es nennen, eine Gemüsegärtnerei, gewinnbringend zu führen. Und stellen sich damit möglicherweise denjenigen in den Weg, die den Wunsch haben, ein ähnliches Projekt wie das unsrige zu starten. Daraus darf man sich aber nicht allzu viel machen, denn die Denkweisen verändern sich in dem Maße, in dem die kleinstrukturierte Landwirtschaft in den USA, in Japan und anderswo auf der Welt das beeindruckende Potential einer in kurzen Kreisläufen stattfindenden handwerklichen Produktion unter Beweis stellt. In Québec verdanken wir diesen Beweis unserer Gärtnerei Les Jardins de la Grelinette, und viele anfängliche Skeptiker*innen haben ihn zur Kenntnis genommen.
In unserem ersten Betriebsjahr machte der Hof einen Verkaufsumsatz von 20 000 (Anm.: immer kanadische) Dollar, bei einer Anbaufläche von einem Viertel Hektar. Im Folgejahr hatten sich unsere Verkaufszahlen mit 55 000 Dollar, bei gleicher Anbaufläche, mehr als verdoppelt. In unserem dritten Betriebsjahr investierten wir in neues Werkzeug und ließen uns auf dem aktuellen Standort unseres Hofs, in Saint-Armand, nieder. Mit der Erhöhung unserer Kulturfläche auf einen Dreiviertel Hektar erzielten wir einen Umsatz von 80 000 Dollar, und schließlich 100 000 Dollar in unserer vierten Saison.
Zu diesem Zeitpunkt hatte unser kleiner Hof ein Produktionsniveau und einen finanziellen Erfolg erreicht, den die meisten Agrar-Insider für unmöglich gehalten hatten. Als wir unseren Umsatz auf einem Landwirtschaftswettbewerb veröffentlichten, erhielt unser Betrieb einen ansehnlichen Preis für seinen exzellenten wirtschaftlichen Ertrag.
Während mehr als einem Jahrzehnt hatten meine Frau und ich kein anderes Einkommen als jenes aus unserem weniger als einen Hektar großen Gemüsegarten. Ich kenne zahlreiche andere kleine Produzenten, denen es ebenfalls gelingt, mit ihrem kleinen Betrieb in Intensivkultur durchaus solide Einkünfte zu erzielen. Das Modell ist also bewiesenermaßen gewinnbringend. In Wirklichkeit ist sogar die Annahme realistisch, ein recht großzügiges Einkommen erzielen zu können.
Eine gut eingeführte Gemüsegärtnerei kann mit einem ausgefeilten Anbauplan und vorteilhaften Verkaufsstandorten einen Jahresumsatz zwischen 60 000 und 120 000 Dollar erwirtschaften, und dies mit weniger als einem Hektar Gemüsevielfalt und einer Gewinnspanne von über 40%. Ein Nettoeinkommen, das den Vergleich mit verschiedenen anderen Agrarsektoren nicht zu scheuen braucht.
Davon leben, aber vor allem: gut davon leben
Die Vorstellung, die sich die meisten Leute von unserem Beruf machen, ist, dass wir wie Arbeitswütige sieben Tage die Woche ununterbrochen schuften, um schließlich nur knapp unseren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ein Bild, das wahrscheinlich inspiriert ist durch die tatsächliche Situation eines großen Teils der konventionellen Landwirt*innen, die in den Zwängen der konventionellen Landwirtschaft gefangen sind. Es ist wahr, dass der Beruf des*r Gemüsegärtner*in bisweilen schwierig ist. Ob Schön- oder Schlechtwetter, wir tragen die Risiken eines schwer vorhersehbaren Klimas. Es gibt keine Gewährleistung für gute Ernten und gute Jahre, und man benötigt eine ordentliche Portion Fleiß und Hingabe, vor allem in den ersten Betriebsjahren, wenn Kundenstock und Infrastrukturen noch aufgebaut werden müssen.
Dennoch ist es ein einzigartiger Beruf, der sich weniger durch die Anzahl der Arbeitsstunden und das Gehalt auszeichnet, als durch die Lebensqualität, die er verschafft. Nur wenige Leute können sich vorstellen, dass trotz der Intensität unserer Arbeit noch viel Zeit für andere Dinge bleibt. Unsere Saison läuft im März langsam an und endet im Dezember. Das sind immerhin neun Monate Arbeit für drei Monate Freizeit. Der Winter wird zu einem kostbaren Moment um sich auszuruhen, zu verreisen oder irgendwelchen anderen Beschäftigungen nachzugehen.
Gerne erinnere ich jene, die sich vorstellen, wir hätten einen Hungerberuf, dass dieser uns erlaubt auf dem Land zu leben, Beruf und Familie in natürlicher Umgebung zu vereinbaren und er uns auch Arbeitsplatzsicherheit garantiert – welch Vergleich zu Anstellungen in einem Großkonzern, wo Kündigungen unvorhersehbar und häufig sind.
Das ist ein beträchtlicher Vorteil. Dadurch, dass ich viel Zeit mit dem Verfassen dieses Handbuchs verbracht habe, kann ich denjenigen, denen die körperlichen Erfordernisse des Berufs Sorge bereiten, Folgendes sagen: ganztägig zu gärtnern ist weniger „hart“ für Körper und Gesundheit, als täglich mehrere Stunden vor einem Computerbildschirm zu sitzen. Indem ich dies sage, hoffe ich, so manche zu beruhigen.
Denn es ist nicht eine Frage des Alters, sondern vielmehr des Willens. Egal ob mit landwirtschaftlichem Rüstzeug oder ohne, wer ernsthaft und motiviert ist, kann alles erlernen, was für diesen traditionellen Beruf nötig ist. Was man investieren muss, ist Zeit und Begeisterung. Seit unser Hof Praktikanten aufnimmt, die ihre ersten Schritte in der Landwirtschaft gehen möchten, beobachtete ich, dass die große Mehrheit derer, die diesen Beruf anstreben, dies aus einer ganz grundlegenden Motivation heraus tut. Sie möchten sich selbständig machen und möglichst viel an der frischen Luft arbeiten, und nicht wenige unter ihnen sind von dem Gedanken beseelt, ihrer Arbeit einen Sinn zu verleihen. Ich kann ihre Entscheidung verstehen, denn „ Familienbäuer*in“ ist ein sehr wertvoller Beruf. Unsere Arbeit auf dem Hof findet regelmäßige Anerkennung bei den Familien, die unser Gemüse essen und uns jede Woche persönlich danken. Für alle, die anders leben möchten und dabei eine alternative Lebensweise anstreben, ist eines wichtig festzuhalten: Man kann davon nicht nur leben, sondern sogar gut leben.
Jetzt kann es losgehen! Erfülle dir deinen Traum von einem rentablen und gewinnbringenden Gemüsegarten. In Jean-Martin Fortiers Praxishandbuch erfährst du Schritt für Schritt, wie du:
- den Standort für deine Gemüse-Gärtnerei nach den Kriterien der Permakultur auswählst
- die Anfangsinvestitionen möglichst gering hältst, damit du mit wenig Eigenkapital starten kannst
- Geräte klug auswählst und einsetzt (abseits von Traktor und Co.)
- eine Dauerbeet-Kultur anlegst, bei der nur minimale Bodenbearbeitung nötig ist
- biologisch düngen und Krankheiten und Schädlinge wirksam bekämpfen kannst
- Beikraut mit ausgewähltem Werkzeug gut in Schach hältst
- die Erntesaison durch Verfrühungstechniken verlängern kannst
- geschickte Anbaupläne für Fruchtfolge und Gründüngung erstellst
- Marketing und Finanzierung am besten anpackst
“Unglaublich vielfältig und kleinstrukturiert, beeindruckend produktiv, gleichzeitig ressourcenschonend, ökologisch und nachhaltig: das ist meiner Überzeugung nach der Gemüsebetrieb der Zukunft. Jean-Martin Fortier zeigt, wie das ganz praktisch möglich ist.”
Wolfgang Palme, Bio-Gemüse-Experte